Siddhartha. Eine indische Dichtung.pdf
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nen, wäre dies nicht gekommen: der Augenblick der<br />
vollkommenen Trostlosigkeit und Verzweiflung, jener<br />
äußerste Augenblick, da er über dem strömenden Wasser<br />
hing und bereit war, sich zu vernichten. Daß er<br />
diese Verzweiflung, diesen tiefsten Ekel gefühlt hatte,<br />
und daß er ihm nicht erlegen war, daß der Vogel, die<br />
frohe Quelle und Stimme in ihm doch noch lebendig<br />
war, darüber fühlte er diese Freude, darüber lachte er,<br />
darüber strahlte sein Gesicht unter den ergrauten Haaren.<br />
»Es ist gut«, dachte er, »alles selber zu kosten, was<br />
man zu wissen nötig hat. Daß Weltlust und Reichtum<br />
nicht vom Guten sind, habe ich schon als Kind gelernt.<br />
Gewußt habe ich es lange, erlebt habe ich es erst<br />
jetzt. Und nun weiß ich es, weiß es nicht nur mit dem<br />
Gedächtnis, sondern mit meinen Augen, mit meinem<br />
Herzen, mit meinem Magen. Wohl mir, daß ich es<br />
weiß!«<br />
Lange sann er nach über seine Verwandlung,<br />
lauschte dem Vogel, wie er vor Freude sang. War nicht<br />
dieser Vogel in ihm gestorben, hatte er nicht seinen<br />
Tod gefühlt? Nein, etwas anderes in ihm war gestorben,<br />
etwas, das schon lange sich nach Sterben gesehnt<br />
hatte. War es nicht das, was er einst in seinen glühenden<br />
Büßerjahren hatte abtöten wollen? War es nicht<br />
sein Ich, sein kleines, banges und stolzes Ich, mit dem<br />
er so viele Jahre gekämpft hatte, das ihn immer wieder<br />
besiegt hatte, das nach jeder Abtötung wieder da war,<br />
Freude verbot, Furcht empfand? War es nicht dies,<br />
was heute endlich seinen Tod gefunden hatte, hier im<br />
Walde an diesem lieblichen Flusse? War es nicht dieses<br />
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