Siddhartha. Eine indische Dichtung.pdf
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voll froher Liebe war zu allem, was er sah. Und eben<br />
daran, so schien es ihm jetzt, war er vorher so sehr<br />
krank gewesen, daß er nichts und niemand hatte lieben<br />
können.<br />
Mit lächelndem Gesichte schaute <strong>Siddhartha</strong> dem<br />
hinweggehenden Mönche nach. Der Schlaf hatte ihn<br />
sehr gestärkt, sehr aber quälte ihn der Hunger, denn er<br />
hatte nun zwei Tage nichts gegessen, und lange war<br />
die Zeit vorüber, da er hart gegen den Hunger gewesen<br />
war. Mit Kummer, und doch auch mit Lachen, gedachte<br />
er jener Zeit. Damals, so erinnerte er sich, hatte<br />
er sich vor Kamala dreier Dinge gerühmt, hatte drei<br />
edle und unüberwindliche Künste gekonnt: Fasten –<br />
Warten – Denken. Dies war sein Besitz gewesen, seine<br />
Macht und Kraft, sein fester Stab, in den fleißigen,<br />
mühseligen Jahren seiner Jugend hatte er diese drei<br />
Künste gelernt, nichts anderes. Und nun hatten sie ihn<br />
verlassen, keine von ihnen war mehr sein, nicht Fasten,<br />
nicht Warten, nicht Denken. Um das Elendeste<br />
hatte er sie hingegeben, um das Vergänglichste, um<br />
Sinnenlust, um Wohlleben, um Reichtum! Seltsam<br />
war es ihm in der Tat ergangen. Und jetzt, so schien<br />
es, jetzt war er wirklich ein Kindermensch geworden.<br />
<strong>Siddhartha</strong> dachte über seine Lage nach. Schwer fiel<br />
ihm das Denken, er hatte im Grunde keine Lust dazu,<br />
doch zwang er sich.<br />
Nun, dachte er, da alle diese vergänglichsten Dinge<br />
mir wieder entglitten sind, nun stehe ich wieder unter<br />
der Sonne, wie ich einst als kleines Kind gestanden<br />
bin, nichts ist mein, nichts kann ich, nichts vermag<br />
ich, nichts habe ich gelernt. Wie ist dies wunderlich!<br />
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