Siddhartha. Eine indische Dichtung.pdf
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Liebe; er verbot uns, unser Herz in Liebe an Irdisches<br />
zu fesseln.«<br />
»Ich weiß es«, sagte <strong>Siddhartha</strong>; sein Lächeln strahlte<br />
golden. »Ich weiß es, Govinda. Und siehe, da sind<br />
wir mitten im Dickicht der Meinungen drin, im Streit<br />
um Worte. Denn ich kann nicht leugnen, meine Worte<br />
von der Liebe stehen im Widerspruch, im scheinbaren<br />
Widerspruch zu Gotamas Worten. Eben darum<br />
mißtraue ich den Worten so sehr, denn ich weiß, dieser<br />
Widerspruch ist Täuschung. Ich weiß, daß ich mit<br />
Gotama einig bin. Wie sollte denn auch Er die Liebe<br />
nicht kennen. Er, der alles Menschensein in seiner<br />
Vergänglichkeit, in seiner Nichtigkeit erkannt hat, und<br />
dennoch die Menschen so sehr liebte, daß er ein langes,<br />
mühevolles Leben einzig darauf verwendet hat,<br />
ihnen zu helfen, sie zu lehren! Auch bei ihm, auch bei<br />
deinem großen Lehrer, ist mir das Ding lieber als die<br />
Worte, sein Tun und Leben wichtiger als sein Reden,<br />
die Gebärde seiner Hand wichtiger als seine Meinungen.<br />
Nicht im Reden, nicht im Denken sehe ich seine<br />
Größe, nur im Tun, im Leben.«<br />
Lange schwiegen die beiden alten Männer. Dann<br />
sprach Govinda, indem er sich zum Abschied verneigte:<br />
»Ich danke dir, <strong>Siddhartha</strong>, daß du mir etwas von<br />
deinen Gedanken gesagt hast. Es sind zum Teil seltsame<br />
Gedanken, nicht alle sind mir sofort verständlich<br />
geworden. Dies möge sein, wie es wolle, ich danke dir,<br />
und ich wünsche dir ruhige Tage.«<br />
(Heimlich bei sich aber dachte er: Dieser <strong>Siddhartha</strong><br />
ist ein wunderlicher Mensch, wunderliche Gedanken<br />
spricht er aus, närrisch klingt seine Lehre. An-<br />
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