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Siddhartha. Eine indische Dichtung.pdf

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kein Denker, aber er wußte das Notwendige, so gut<br />

wie Gotama, er war ein Vollkommener, ein Heiliger.«<br />

Govinda sagte: »Noch immer, o <strong>Siddhartha</strong>, liebst<br />

du ein wenig den Spott, wie mir scheint. Ich glaube<br />

dir und weiß es, daß du nicht einem Lehrer gefolgt<br />

bist. Aber hast nicht du selbst, wenn auch nicht eine<br />

Lehre, so doch gewisse Gedanken, gewisse Erkenntnisse<br />

gefunden, welche dein eigen sind und die dir leben<br />

helfen? Wenn du mir von diesen etwas sagen möchtest,<br />

würdest du mir das Herz erfreuen.«<br />

Sprach <strong>Siddhartha</strong>: »Ich habe Gedanken gehabt, ja,<br />

und Erkenntnisse, je und je. Ich habe manchmal, für<br />

eine Stunde oder für einen Tag, Wissen in mir gefühlt,<br />

so wie man Leben in seinem Herzen fühlt. Manche<br />

Gedanken waren es, aber schwer wäre es für mich, sie<br />

dir mitzuteilen. Sieh, mein Govinda, dies ist einer<br />

meiner Gedanken, die ich gefunden habe: Weisheit ist<br />

nicht mitteilbar. Weisheit, welche ein Weiser mitzuteilen<br />

versucht, klingt immer wie Narrheit.«<br />

»Scherzest du?« fragte Govinda.<br />

»Ich scherze nicht. Ich sage, was ich gefunden habe.<br />

Wissen kann man mitteilen, Weisheit aber nicht. Man<br />

kann sie finden, man kann sie leben, man kann von<br />

ihr getragen werden, man kann mit ihr Wunder tun,<br />

aber sagen und lehren kann man sie nicht. Dies war es,<br />

was ich schon als Jüngling manchmal ahnte, was mich<br />

von den Lehrern fortgetrieben hat. Ich habe einen Gedanken<br />

gefunden, Govinda, den du wieder für Scherz<br />

oder für Narrheit halten wirst, der aber mein bester<br />

Gedanke ist. Er heißt: von jeder Wahrheit ist das Gegenteil<br />

ebenso wahr! Nämlich so: eine Wahrheit läßt<br />

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