Siddhartha. Eine indische Dichtung.pdf
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<strong>Siddhartha</strong> schwieg, und sie spielten das Spiel der<br />
Liebe, eines von den dreißig oder vierzig verschiedenen<br />
Spielen, welche Kamala wußte. Ihr Leib war biegsam<br />
wie der eines Jaguars und wie der Bogen eines Jägers;<br />
wer von ihr die Liebe gelernt hatte, war vieler Lüste,<br />
vieler Geheimnisse kundig. Lange spielte sie mit <strong>Siddhartha</strong>,<br />
lockte ihn, wies ihn zurück, zwang ihn, umspannte<br />
ihn, freute sich seiner Meisterschaft, bis er besiegt<br />
war und erschöpft an ihrer Seite ruhte.<br />
Die Hetäre beugte sich über ihn, sah lang in sein<br />
Gesicht, in seine müdgewordenen Augen.<br />
»Du bist der beste Liebende«, sagte sie nachdenklich,<br />
»den ich gesehen habe. Du bist stärker als andre,<br />
biegsamer, williger. Gut hast du meine Kunst gelernt,<br />
<strong>Siddhartha</strong>. Einst, wenn ich älter bin, will ich von dir<br />
ein Kind haben. Und dennoch, Lieber, bist du ein<br />
Samana geblieben, dennoch liebst du mich nicht, du<br />
liebst keinen Menschen. Ist es nicht so?«<br />
»Es mag wohl so sein«, sagte <strong>Siddhartha</strong> müde. »Ich<br />
bin wie du. Auch du liebst nicht – wie könntest du<br />
sonst die Liebe als eine Kunst betreiben? Die Menschen<br />
von unserer Art können vielleicht nicht lieben.<br />
Die Kindermenschen können es; das ist ihr Geheimnis.«<br />
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