Siddhartha. Eine indische Dichtung.pdf
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schenk habe ich dir zu geben, Lieber, und keinen<br />
Lohn zu geben. Ein Heimatloser bin ich, ein Brahmanensohn<br />
und Samana.«<br />
»Ich sah es wohl«, sprach der Fährmann, »und ich<br />
habe keinen Lohn von dir erwartet, und kein Gastgeschenk.<br />
Du wirst mir das Geschenk ein anderes Mal<br />
geben.«<br />
»Glaubst du?« sagte <strong>Siddhartha</strong> lustig.<br />
»Gewiß. Auch das habe ich vom Flusse gelernt: alles<br />
kommt wieder! Auch du, Samana, wirst wiederkommen.<br />
Nun lebe wohl! Möge deine Freundschaft mein<br />
Lohn sein. Mögest du meiner gedenken, wenn du den<br />
Göttern opferst.«<br />
Lächelnd schieden sie voneinander. Lächelnd freute<br />
sich <strong>Siddhartha</strong> über die Freundschaft und Freundlichkeit<br />
des Fährmanns. »Wie Govinda ist er«, dachte<br />
er lächelnd, »alle, die ich auf meinem Wege antreffe,<br />
sind wie Govinda. Alle sind dankbar, obwohl sie selbst<br />
Anspruch auf Dank hätten. Alle sind unterwürfig, alle<br />
mögen gern Freund sein, gern gehorchen, wenig denken.<br />
Kinder sind die Menschen.«<br />
Um die Mittagszeit kam er durch ein Dorf. Vor<br />
den Lehmhütten wälzten sich Kinder auf der Gasse,<br />
spielten mit Kürbiskernen und Muscheln, schrien und<br />
balgten sich, flohen aber alle scheu vor dem fremden<br />
Samana. Am Ende des Dorfes führte der Weg durch<br />
einen Bach, und am Rande des Baches kniete ein junges<br />
Weib und wusch Kleider. Als <strong>Siddhartha</strong> sie grüßte,<br />
hob sie den Kopf und blickte mit Lächeln zu ihm<br />
auf, daß er das Weiße in ihrem Auge blitzen sah. Er<br />
rief einen Segensspruch hinüber, wie er unter Reisen-<br />
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