Max Weber - Die protestantische Ethik.pdf
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Und wie die Wortbedeutung so ist auch - das dürfte im ganzen ja<br />
bekannt sein - der G e d a n k e neu und ein Produkt der<br />
Reformation. Nicht als ob gewisse Ansätze zu jener Schätzung der<br />
weltlichen Alltagsarbeit, welche in diesem Berufsbegriff vorliegt,<br />
nicht schon im Mittelalter, ja selbst im (s p ä t - hellenistischen)<br />
Altertum, vorhanden gewesen wären: - davon wird später zu reden<br />
sein. Unbedingt neu war jedenfalls zunächst eins: die Schätzung der<br />
Pflichterfüllung innerhalb der weltlichen Berufe als des höchsten<br />
Inhaltes, den die sittliche Selbstbetätigung überhaupt annehmen<br />
könne. <strong>Die</strong>s war es, was die Vorstellung von der religiösen<br />
Bedeutung der weltlichen Alltagsarbeit zur unvermeidlichen Folge<br />
hatte und den Berufsbegriff in diesem Sinn erstmalig erzeugte. Es<br />
kommt also in dem Begriff “Beruf” jenes Zentraldogma aller<br />
<strong>protestantische</strong>n Denominationen zum Ausdruck, welches die<br />
katholische Unterscheidung der christlichen Sittlichkeitsgebote in<br />
“praecepta” und “consilia” verwirft und als das einzige Mittel, Gott<br />
wohlgefällig zu leben, nicht eine Überbietung der inner - weltlichen<br />
Sittlichkeit durch mönchische Askese, sondern ausschließlich die<br />
Erfüllung der innerweltlichen Pflichten kennt, wie sie sich aus der<br />
Lebensstellung des einzelnen ergeben, die dadurch eben sein<br />
“Beruf” wird.<br />
Bei Luther entwickelt dieser Gedanke sich im Laufe des ersten<br />
Jahrzehntes seiner reformatorischen Tätigkeit. Anfangs gehört ihm,<br />
durchaus im Sinne der vorwiegenden mittelalterlichen Tradition,<br />
wie sie z.B. Thomas von Aquino repräsentiert, die weltliche Arbeit,<br />
obwohl von Gott gewollt, zum Kreatürlichen, sie ist die<br />
unentbehrliche Naturgrundlage des Glaubenslebens, sittlich an sich<br />
indifferent wie Essen und Trinken. Aber mit der klareren<br />
Durchführung des “sola - fide” - Gedankens in seinen<br />
Konsequenzen und mit dem dadurch gegebenen, mit steigender<br />
Schärfe betonten Gegensatz gegen die “vom Teufel diktierten”<br />
katholischen “evangelischen Ratschläge” des Mönchtums steigt die<br />
Bedeutung des Berufs. <strong>Die</strong> mönchische Lebensführung ist nun nicht<br />
nur zur Rechtfertigung vor Gott selbstverständlich gänzlich wertlos,<br />
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