Max Weber - Die protestantische Ethik.pdf
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über und hinderten schon zu Anfang des 17. Jahrhunderts die<br />
Aufrechterhaltung kirchlicher Gemeinschaft zwar regelmäßig, aber<br />
doch nicht ausnahmslos. Und vor allem: die für uns wichtigen<br />
Erscheinungen der s i t t l i c h e n Lebensführung finden sich bei<br />
den Anhängern der verschiedensten, aus einer der oben<br />
verzeichneten vier Quellen oder einer Kombination mehrerer von<br />
ihnen hervorgegangenen Denominationen in gleichartiger Weise.<br />
Wir werden sehen, daß ähnliche ethische <strong>Max</strong>imen mit<br />
verschiedenen dogmatischen Unterlagen verknüpft sein konnten.<br />
Auch die für den Betrieb der Seelsorge bestimmten einflußreichen<br />
literarischen Hilfsmittel, vor allem die casuistischen Kompendien<br />
der verschiedenen Konfessionen, beeinflußten sich im Lauf der Zeit<br />
gegenseitig, und man findet in ihnen große Ähnlichkeiten trotz<br />
notorisch sehr verschiedener Praxis der Lebensführung. Es könnte<br />
also fast scheinen, als täten wir am besten, die dogmatischen<br />
Unterlagen ebenso wie die ethische Theorieganz zu ignorieren und<br />
uns rein an die sittliche Praxis zu halten, soweit sie feststellbar ist. -<br />
Allein dem ist eben dennoch nicht so. <strong>Die</strong> untereinander<br />
verschiedenen dogmatischen Wurzeln der asketischen Sittlichkeit<br />
starben freilich, nach fürchterlichen Kämpfen, ab, Aber die<br />
ursprüngliche Verankerung an jenen Dogmen hat nicht nur in der<br />
“undogmatischen” späteren <strong>Ethik</strong> mächtige Spuren hinterlassen,<br />
sondern n u r die Kenntnis des ursprünglichen Gedankengehalts<br />
lehrt verstehen, wie jene Sittlichkeit mit dem die innerlichsten<br />
Menschen jener Zeit absolut beherrschenden Gedanken an das J e n<br />
s e i t s verknüpft war, ohne dessen alles überragende Macht damals<br />
k e i n e r l e i die Lebenspraxis ernstlich beeinflussende sittliche<br />
Erneuerung ins Werk gesetzt worden ist. Denn selbstverständlich<br />
nicht auf das, was etwa in ethischen Kompendien der Zeit<br />
theoretisch und offiziell gelehrt wurde, - so gewiß auch dies durch<br />
den Einfluß von Kirchenzucht, Seelsorge und Predigt praktische<br />
Bedeutung hatte, - kommt es für uns an, sondern auf etwas ganz<br />
anderes auf die Ermittelung derjenigen durch den religiösen<br />
Glauben und die Praxis des religiösen Lebens geschaffenen<br />
psychologi-<br />
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