Max Weber - Die protestantische Ethik.pdf
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Aufgabe sei. Und die Entwicklung des orthodoxen Luthertums<br />
unterstrich diesen Zug noch weiter. Etwas Negatives: Wegfall der<br />
Überbietung der innerweltlichen durch asketische Pflichten,<br />
verbunden aber mit Predigt des Gehorsams gegen die Obrigkeit und<br />
der Schickung in die gegebene Lebenslage, war hier also zunächst<br />
der einzige ethische Ertrag. […] Das Luthertum bedeutet sogar in<br />
einem bestimmten Sinne gegenüber den Mystikern einen<br />
Rückschritt, insofern bei Luther - und mehr noch bei seiner Kirche -<br />
die psychologischen Unterlagen für eine rationale Berufsethik<br />
gegenüber den Mystikern (deren Anschauungen über diesen Punkt<br />
mehrfach teils an die pietistische, teils an die quäkerische<br />
Glaubenspsychologie erinnern) ziemlich unsichere geworden sind<br />
und zwar, wie noch zu zeigen sein wird, gerade w e i l der Zug zur<br />
asketischen Selbstdisziplinierung ihm als Werkheiligkeit verdächtig<br />
war und daher in seiner Kirche immer mehr in den Hintergrund<br />
treten mußte.<br />
Der bloße Gedanke des “Berufes” im lutherischen Sinn also - das<br />
allein sollte schon hier festgestellt werden - war, soviel wir bisher<br />
sehen können, von jedenfalls nur problematischer Tragweite für<br />
das, was w i r suchen. Damit ist nun nicht im mindesten gesagt, daß<br />
eine praktische Bedeutung auch der lutherischen Form der<br />
Neuordnung des religiösen Lebens für die Gegenstände unserer<br />
Betrachtung nicht bestanden hätte. Ganz im Gegenteil. Nur ist sie<br />
offenbar nicht u n m i t t e l b a r aus der Stellung L u t h e r s und<br />
seiner Kirche zum weltlichen Beruf ableitbar und überhaupt nicht<br />
so leicht greifbar wie dies vielleicht bei anderen Ausprägungen des<br />
Protestantismus der Fall sein könnte. Es empfiehlt sich daher für<br />
uns, zunächst solche Formen desselben zu betrachten, bei denen ein<br />
Zusammenhang der Lebenspraxis mit dem religiösen<br />
Ausgangspunkt leichter als beim Luthertum zu ermitteln ist. Schon<br />
früher wurde nun die auffällige Rolle des C a l v i n i s m u s und<br />
der <strong>protestantische</strong>n S e k t e n in der Geschichte der kapitalistischen<br />
Entwicklung erwähnt. Wie Luther in Zwingli einen “anderen<br />
Geist” lebendig fand als bei sich selbst, so seine geistigen Nach-<br />
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