Arbeitsbericht 2012 im pdf Format - Gesellschaft für bedrohte Völker
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AFRIKA<br />
Ägypten<br />
Ein Jahr nach dem Sturz des ägyptischen Diktators Hosni Mubarak ziehen wir Ende Januar <strong>2012</strong> eine<br />
<strong>für</strong> die religiösen Minderheiten kritische Bilanz des Machtwechsels. Denn Ägyptens christliche<br />
Kopten sind tief verunsichert und blicken mit Sorgen in die Zukunft. So stellen wir in einer<br />
Presseerklärung fest, dass die Gewalt gegen die Minderheit zugenommen hat und die versprochene<br />
Liberalisierung der ägyptischen <strong>Gesellschaft</strong> ausgeblieben ist. Stattdessen mobilisieren musl<strong>im</strong>ische<br />
Extremisten ihre Anhänger zu Demonstrationen gegen Renovierung oder Neubauten von Kirchen und<br />
versuchen sich auf Kosten der Kopten politisch zu profilieren. Auch werden Gewaltakte gegen<br />
Christen noch <strong>im</strong>mer nicht angemessen von den Justizbehörden verfolgt und die Täter nicht vor<br />
Gericht zur Rechenschaft gezogen. So protestieren wir auch gegen die Einseitigkeit der Gerichte, als<br />
<strong>im</strong> Mai zwölf Kopten nach einem Streit mit Musl<strong>im</strong>en zu lebenslanger Haft verurteilt werden. Die<br />
ebenfalls wegen des Streits angeklagten Musl<strong>im</strong>e werden freigesprochen. Es ist nicht das erste Mal,<br />
dass Christen von den Justizbehörden gezielt kr<strong>im</strong>inalisiert werden. So sprach <strong>im</strong> April <strong>2012</strong> ein<br />
Sondergericht alle wegen des Maspero-Massakers an 27 Christen Angeklagten frei.<br />
Als Außenminister Westerwelle <strong>im</strong> Juli nach Ägypten reist, bitten wir ihn, sich <strong>für</strong> die Rechte von<br />
Kopten und Beduinen einzusetzen. Führende CDU-Politiker, wie Fraktionsgeschäftsführer Volker<br />
Kauder und Bundestagspräsident Norbert Lammert, sprechen auf unsere Bitten hin <strong>im</strong>mer wieder<br />
auch öffentlich die dramatische Lage der Kopten an. Nach der Veröffentlichung eines<br />
islamfeindlichen Mohamed-Videos n<strong>im</strong>mt die Zahl der gegen Christen in Ägypten eingeleiteten<br />
Blasphemie-Verfahren deutlich zu. So warnen wir <strong>im</strong> Oktober, dass innerhalb nur weniger Wochen<br />
17 neue Verfahren eingeleitet wurden. Selbst neun Jahre alte Kinder sind davon betroffen. Wir<br />
protestieren bei den ägyptischen Behörden gegen Blasphemie-Verfahren gegen zwei neun und zehn<br />
Jahre alte Jungen. Angesichts der vielen internationalen Proteste werden wenigstens die Verfahren<br />
gegen Kinder bald eingestellt. Doch nicht nur koptische Kinder leiden unter dem Kl<strong>im</strong>a der Gewalt.<br />
Auch die Zahl der Übergriffe auf unverschleiert in der Öffentlichkeit auftretende Christinnen n<strong>im</strong>mt<br />
deutlich zu, müssen wir <strong>im</strong> November der Presse mitteilen. So berichten wir von einem Zwischenfall<br />
in der Kairoer U-Bahn, bei dem einer 28 Jahre alten Koptin von zwei verschleierten Frauen gewaltsam<br />
die Haare abgeschnitten werden. Bei den ägyptischen Behörden protestieren wir gegen die<br />
zunehmende sexuelle Gewalt sowie gegen öffentliche Demütigungen von demonstrierenden<br />
Christinnen. Die gezielt verübten Übergriffe auf Demonstrantinnen verunsichern viele Koptinnen und<br />
schüren den Exodus der Christen aus dem Land.<br />
Nicht nur Kopten und gemäßigte musl<strong>im</strong>ische Sufis leiden unter Übergriffen von Extremisten in<br />
Ägypten. Mehrfach machen wir in Presseerklärungen und Interviews auf die dramatische Lage der<br />
Beduinen vor allem <strong>im</strong> Norden der Sinai-Halbinsel aufmerksam. Auf Fachtagungen von Terrorismus-<br />
Experten warnen wir vor einem neuen Krisenherd. Denn die Gewalt auf der Nordhälfte der<br />
strategisch <strong>für</strong> die Sicherheit Israels bedeutsamen Sinai-Halbinsel n<strong>im</strong>mt stetig zu. Mehrfach<br />
berichten wir über Entführungen und Anschläge auf Pipelines. Wir warnen davor, die Verarmung und<br />
Kr<strong>im</strong>inalisierung der Beduinen noch länger zu ignorieren. Denn ihre He<strong>im</strong>at wird <strong>im</strong>mer mehr zum<br />
Operationsgebiet ausländischer Terroristen. Nachdrücklich fordern wir von der ägyptischen<br />
Regierung ein Ende von Rechtlosigkeit und Gewalt auf dem Sinai, die Freilassung inhaftierter<br />
Beduinen sowie mehr Entwicklungshilfe und Rechte <strong>für</strong> die verarmten Ureinwohner des Sinai. Denn<br />
dort gibt es keinen Frieden ohne die Beduinen. Die Regierung Mursi geht auf diese Appelle auch ein<br />
und bemüht sich um mehr wirtschaftliche Unterstützung der Beduinen. Denn nur wenn sich die<br />
katastrophale wirtschaftliche Lage der Beduinen bessert, wir der Sinai zur Ruhe kommen und<br />
Schmuggel sowie Terrorismus können eingedämmt werden.<br />
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