kostenfreier Download als PDF - Institut für Wirtschaftsforschung Halle
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<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Wirtschaftsforschung</strong> <strong>Halle</strong><br />
bei Kollektivgütern. Irgendwann wird der Bäcker erwischt und an den Pranger gestellt.<br />
In Amerika findet man noch heute derartige Routinen: Wird jemand des Ladendiebstahls<br />
überführt, kann es passieren, dass ihn das örtliche Gericht zu einigen Tagen Putzdienst<br />
im nämlichen Laden verurteilt, wobei er ein T-Shirt zu tragen hat, auf dem steht:<br />
„Ich habe in diesem Laden geklaut.“ Bei einer halbwegs gegebenen psychischen Stabilität<br />
ist ein Rückfall ausgeschlossen. Wir halten derartige Methoden <strong>für</strong> menschenunwürdig.<br />
Das sind sie wahrscheinlich auch. Aber genau diese Methoden werden von<br />
Gesellschaften auch zur Stabilisierung herangezogen, <strong>als</strong>o zur Absicherung des Systems.<br />
Als Kulturnation wenden wir glücklicherweise nicht alle infrage kommenden<br />
Methoden an. Dadurch stehen wir jedoch vor dem Problem des Fehlens einer glaubhaften<br />
Abschreckung, um das System stabil zu halten. Aus theologischer Erfahrung ist die<br />
Opfersubstitution bekannt: Jeder opfert <strong>für</strong> eine gute Ernte Getreide – aber bringt er sein<br />
bestes Korn oder nur schlechtes, und ist der Gott daraufhin erzürnt? Fordert er dann<br />
gelegentlich das Totalopfer? Wie sieht die Mischung aus Rechten und Pflichten im modernen<br />
Staat aus? Werden nicht ganze Bevölkerungsgruppen aus der „Opferpflicht“<br />
entlassen oder entziehen sich ihr – im spieltheoretischen Sinne zunächst ganz rational?<br />
Damit erscheint die Antwort auf die Frage, wie Gesellschaften mit Kollektivgütern umgehen,<br />
in einem anderen, strategisch bedeutsamen Licht. Denn Honorigkeit ist ein solches<br />
Kollektivgut, und in Marktwirtschaften muss auch die Allokation der nicht privaten<br />
Güter organisiert werden. Allgemein gesprochen benötigen Märkte Reputation, und das<br />
System ordnet sich wie ein Fußballspiel. Ein Regelsystem behandelt alle gewollten<br />
Verhaltensweisen, aber auch Konsequenzen bei denkbaren Regelüberschreitungen. Diese<br />
sind zu ahnden, weshalb ein Schiedsrichter eingreift und bei einem Foul den Elfmeter,<br />
die gelbe oder rote Karte verhängt – das alles ist wohlbekannt.<br />
Auch jedes marktwirtschaftliche und jedes gesellschaftliche System braucht ein Regelsystem.<br />
Deshalb sind Gesellschaftsspiele im Rahmen der Erziehung eines Menschen so<br />
unglaublich wichtig. Wer Kinder hat, der weiß, dass das Erste, was Kinder machen – und<br />
dabei benehmen sie sich nicht anders <strong>als</strong> die Chefs von großen Unternehmen –, ist, sich<br />
zu fragen, ob die Regeln auch <strong>für</strong> sie selbst gelten. Dabei entstehen beim Menschärgere-Dich-nicht,<br />
Fang-den-Hut und all den anderen Spielen interessante Koalitionen.<br />
„Wenn Du mich nicht rauswirfst, werfe ich Dich auch nicht raus, aber wir werfen den<br />
anderen da raus.“ Das Interessante daran ist, dass das Spiel am spannendsten ist, wenn<br />
sich jeder an die Regeln hält und jeden anderen rauswirft, auch wenn es die Mutter oder<br />
der Freund ist. Wenn Koalitionen entstehen, dann funktioniert es nicht mehr. Ein Gesellschaftsspiel<br />
ist ein sehr gutes Training <strong>für</strong> das Erlernen der Bedeutung und das Einüben<br />
des Einhaltens von Regeln, diesem bedeutenden Kollektivgut.<br />
Dieser Sachverhalt wird bei Walter Eucken (1952) in den (die Regeln) konstituierenden<br />
und (den Ablauf) regulierenden Prinzipien deutlich und klar formuliert, wobei das Soziale<br />
dieser Marktwirtschaft nicht die Sozialversicherung ist, sondern die durch den Wettbewerb<br />
erzeugten niedrigen Preise. Nicht umsonst haben die Arbeitgeber seinerzeit die<br />
marktwirtschaftliche Ordnung <strong>als</strong> Konsumentensozialismus bezeichnet (Koerfer 1988).<br />
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