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kostenfreier Download als PDF - Institut für Wirtschaftsforschung Halle

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<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Wirtschaftsforschung</strong> <strong>Halle</strong><br />

hilfreich, aber nicht ungefährlich, wenn bestimmten Wertvorstellungen etwa von Seiten<br />

des Staates absolute Geltung zugesprochen wird.<br />

Wie geht man mit diesem Dilemma um? Hilfreich scheint an dieser Stelle das Denken<br />

in diskursethischen Kategorien: Nach Ansicht von Jürgen Habermas kommt nämlich<br />

den Normen eine „allgemeine Verbindlichkeit“, den Werten dagegen nur eine „spezielle<br />

Vorzugswürdigkeit“ zu.5 Daraus folgt, dass es bei einer Arbeit mit und am Wertbegriff<br />

notwendig und durchaus möglich ist, vom idealen Geltungsanspruch der Werte abzugehen.<br />

Die Erkenntnis, dass Werte von bestimmten Gruppen geteilte Präferenzen sind,<br />

muss nicht zu einem ethischen Relativismus oder einem engführenden Rechtspositivismus<br />

führen. Sie kann vielmehr in die Forderung münden, den Normendiskurs auf andere<br />

Weise zu führen, in dem Werte- und Normendiskurs immer aufeinander bezogen<br />

bleiben müssen. Denn individuell gebildete und vermittelte Werte bedürfen vom Gesetzgeber<br />

legitimierter und verpflichtender Normen zu ihrer Kontrolle und zeigen andererseits,<br />

wie und warum sich Menschen in ihrem Handeln tatsächlich an bestimmte Regeln<br />

binden. Normen wiederum können menschliches Handeln nicht stiften, wohl aber<br />

regulieren und an einem <strong>für</strong> alle geltenden, verbindlichen Maßstab messen. Werte werden<br />

von uns definiert, aber nicht erfunden, nicht durch Philosophie oder Theologie konstituiert,<br />

sondern durch diese relativiert, bestätigt, verworfen oder in eine Rangfolge gebracht.6<br />

Werte haben ihre Wurzel im Individuum <strong>als</strong> dem wertenden Subjekt, das diese<br />

allerdings nicht <strong>für</strong> den Verkauf auf einem „Markt der Werte“ bereitstellt oder abschafft,<br />

sondern wählt, was es <strong>für</strong> mehr oder weniger vorzugswürdig hält. Dass und wie<br />

Werte im menschlichen Leben eine Rolle spielen, wird dadurch determiniert, dass der<br />

Mensch ein kommunizierendes und lernendes Wesen ist, wobei die Entstehung der<br />

Werte immer auch ein kommunikativer Vorgang ist. Unser Handeln wird, bevor wir<br />

noch anfangen, selbst darüber zu reflektieren, durch unsere Einbettung in soziale und<br />

gesellschaftliche <strong>Institut</strong>ionen, durch Erziehung und Nachahmung von Vorbildern oder<br />

deren kritische Infragestellung bestimmt. Der Wertbegriff entfaltet dort seine Möglichkeiten,<br />

wo man vom präskriptiven Bereich auf den deskriptiven übergeht, d. h. wo man<br />

nicht allein die Frage stellt: „Was soll ich tun?“, sondern zu beschreiben und erklären<br />

versucht: „Warum tue ich, was ich tue?“ Dabei stellt sich nämlich heraus, dass den<br />

Werten in diesem präskriptiven Bereich faktisch eine ganz entscheidende, eine existenzielle<br />

Bedeutung zukommt. Durch die Wertvorstellungen unserer Umwelt werden unsere<br />

eigenen Wertvorstellungen – zustimmend wie abgrenzend – von Kindheit an geprägt.<br />

Und dies bringt uns zurück zur Frage nach dem vermeintlichen Verlust unserer<br />

Wertebasis.<br />

4. Bei dem Versuch der Konkretion der Rede von Werten und der Rede von einem<br />

vermeintlichen Verlust der Wertebasis wird ein weiteres Dilemma deutlich: Verweigern<br />

5 Vgl. Habermas, J. (1992): Faktizität und Geltung, Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des<br />

demokratischen Rechtsstaats, 2. Aufl. Frankfurt a. M., S. 315.<br />

6 Vgl. Hentig, H. von (1999): Ach, die Werte! Ein öffentliches Bewußtsein von zwiespältigen Aufgaben.<br />

Über eine Erziehung <strong>für</strong> das 21. Jahrhundert. München, Wien, S. 69.<br />

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