kostenfreier Download als PDF - Institut für Wirtschaftsforschung Halle
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<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Wirtschaftsforschung</strong> <strong>Halle</strong><br />
lassens ist ein Faktum; der Einzelne kann sich lediglich seiner Verantwortung stellen<br />
oder sich ihr zu entziehen suchen. Jedoch lassen sich unterschiedliche normative<br />
Grundlagen, aus denen ein Verantwortungsverhältnis resultiert, unterscheiden. So kann<br />
sich Verantwortung beispielsweise im Sinne Kants aufgrund „vollkommener“ oder „unvollkommener“<br />
Pflichten41 ergeben – wie etwa die Pflicht zur Hilfeleistung oder zur<br />
Unterstützung Schwächerer –, sie kann sich aufgrund bestimmter Rollen und Aufgaben<br />
des Einzelnen ergeben – wie etwa die Pflicht des Arztes, Leben zu retten –, oder aber<br />
sie kann aus vertraglich eingegangenen Verpflichtungen resultieren – wie etwa die<br />
Pflichten des Käufers und Verkäufers beim Kaufvertrag. Eine „freiwillige Verantwortungsübernahme“<br />
meint somit ein freiwilliges Eingehen von besonderen Verpflichtungen<br />
und nicht etwa die „freiwillige“ Übernahme der Verantwortung von Handlungsfolgen<br />
im Allgemeinen. Die Übernahme einer gesellschaftlichen Verantwortung ist somit<br />
höchst selten ein Akt der Freiwilligkeit. In all jenen Bereichen, in denen Unternehmen<br />
durch ihr Handeln mittelbar und unmittelbar auf die Gesellschaft und die Umwelt einwirken,<br />
sind sie hier<strong>für</strong> verantwortlich. Auch die Verpflichtung, einen über die reine<br />
betriebliche Leistungserstellung hinausgehenden Beitrag <strong>für</strong> die Gesellschaft zu erbringen,<br />
lässt sich mindestens im Sinne Kants <strong>als</strong> „unvollkommene Pflicht“ der Unternehmen<br />
beschreiben. Zum Wesen der unvollkommenen Pflichten gehört es, dass sie zwar<br />
ausgeübt werden müssen, die Form der Ausübung jedoch gewisse Freiheitsgrade offen<br />
lässt. Unternehmen müssen <strong>als</strong>o entscheiden, auf welche Weise und in welchen Bereichen<br />
sie sich gesellschaftlich engagieren wollen und können. Dies bedeutet kein Wahlrecht<br />
des „ob oder ob nicht“, sondern bezieht sich auf die Entscheidungsfreiheit des<br />
Unternehmens, die nach Maßgabe der eigenen Ressourcen und Kompetenzen bestgeeigneten<br />
Maßnahmen zu ergreifen.42<br />
Aus dieser Perspektive wandelt sich das Bild der freiwilligen Verantwortungsübernahme<br />
seitens der Unternehmen. Man gewinnt den Eindruck, <strong>als</strong> ob zahlreiche Unternehmen<br />
sich nicht nur nicht besonders um die Einlösung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung<br />
bemühten, sondern vielmehr ihr vereinzeltes CSR-Engagement dazu<br />
benutzten, sich „freiwillig“ einem Großteil ihrer Verantwortung zu entziehen. Damit stellt<br />
sich die Frage, ob es gesetzlicher Vorgaben bedarf, um Unternehmen zur Erbringung<br />
eines gesellschaftlichen Beitrags zu zwingen.<br />
Jenseits der Tatsache, dass insbesondere multinationale Konzerne durchaus in der Lage<br />
wären, sich diesen Zwängen zu entziehen, und jenseits der Frage nach den geeigneten<br />
Organen zur Überwachung derartiger Leistungspflichten, stellt sich bei der Anmahnung<br />
derartiger „unvollkommener Pflichten“ die weit grundlegendere Frage, ob diese überhaupt<br />
konkret eingefordert werden können. Problematisch an einem solchen Zwang zur<br />
Übernahme „unvollkommener“ Pflichten ist vor allem die Tatsache, dass diese kein<br />
konkretes Tun oder Unterlassen einfordern, sondern dem Handelnden bestimmte Frei-<br />
41 Zur Unterscheidung vollkommener und unvollkommener Pflichten vgl. u. a. Kant (1991), BA 57.<br />
42 Vgl. Aßländer, Seidel (2008), S. 2 f.<br />
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