kostenfreier Download als PDF - Institut für Wirtschaftsforschung Halle
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Akademie <strong>für</strong> Politische Bildung Tutzing<br />
misst sich am „Rechtsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“. Das Bundesverfassungsgericht<br />
geht sogar davon aus, dass sich in den Bestimmungen des Grundgesetzes<br />
eine „objektive Wertordnung“ verkörpert, „die <strong>als</strong> verfassungsrechtliche Grundentscheidung<br />
<strong>für</strong> alle Bereiche des Rechts gilt.“3 Zudem entfaltete der Wertbegriff seine<br />
wirtschaftsethische Wirkung in der katholischen Soziallehre, wo der Jesuit Oswald von<br />
Nell-Breuning und andere versuchten, allerdings nicht ganz in Schelers Sinn, den Wertbegriff<br />
dem traditionellen ethischen Begriff des Guten anzugleichen und so in die Naturrechtstradition<br />
einzufügen. Natürlich hängt Heideggers Kritik an der Wertphilosophie<br />
zentral mit seinen eigenen philosophischen Einsichten zusammen, die hier im Einzelnen<br />
nicht zur Debatte stehen. Aber auch wenn man Heideggers Alternative nicht folgen will:<br />
Er hat jedenfalls deutlich gemacht, dass der Anspruch der Wertphilosophie, ein Reich<br />
von objektiv geltenden Werten auf einer verschwommenen ontologischen Grundlage zu<br />
konstruieren, in die Irre führen musste.<br />
3. Doch hat nicht der Wertbegriff trotz aller mit ihm verbundenen philosophischen<br />
Probleme einen enormen Gebrauchswert, wenn alle Welt ihn benutzt? Wie zu Anfang<br />
festgestellt, ist er ja äußerst populär. Wie kann er vielleicht doch dazu beitragen, das in<br />
vielen Bereichen unserer Gesellschaft akut bestehende Problem der Geltung von Normen<br />
und vermeintlichen Grundwerten zu lösen? Das bislang erreichte Resultat lässt nur<br />
eine Antwort auf diese Frage zu: Dies wird kaum gelingen, wenn der Wertbegriff absolute,<br />
unwandelbare Geltung beansprucht. Denn Werte „sind“ nicht, sie gelten, und zwar<br />
immer in einem konkreten gesellschaftlichen Kontext. Eine andere Antwort wäre nur<br />
berechtigt, wenn es sich gezeigt hätte, dass eine allgemein nachvollziehbare, philosophische<br />
Reflexion die absolute Geltung idealer Werte belegen kann. Mit diesem Ergebnis<br />
wird aber nun keineswegs einem ethischen Relativismus das Wort geredet. Im Gegenteil:<br />
Dass bestimmte Werte normative Geltung haben und dass ethische Maximen wie<br />
die Goldene Regel sich gerade dadurch auszeichnen, dass sie gesellschaftsübergreifend<br />
Geltung beanspruchen können, soll an dieser Stelle überhaupt nicht bestritten werden.<br />
Nur kann der normative Status von Geltungsansprüchen in keinem Fall daraus resultieren,<br />
dass diese Werte absolute „Grund-Werte“ sind. Sie tragen ihren Geltungsgrund<br />
nicht in sich. Der Wertbegriff ist jedoch in der Praxis dort wertvoll, wo er<br />
„[…] das Inkommensurable kommensurabel“ macht, sodass „ganz verschiedenartige<br />
Güter, Ziele, Ideale und Interessen […] vergleichbar und kompromissfähig werden.“4<br />
Ein nützliches praktisches Instrument <strong>als</strong>o, aber es darf dem Benutzer nicht über den<br />
Kopf wachsen, darf kein Eigenleben gewinnen. Sonst geht es uns wie dem Zauberlehrling<br />
mit dem Besen, und es droht die „Tyrannei der Werte“ (Nicolai Hartmann), in der<br />
ein Wert alle anderen zu dominieren droht. Die Rede von Werten ist <strong>als</strong>o notwendig, ja<br />
3 Vgl. etwa das „Lüth-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 7, S. 198.<br />
4 Schmitt, C. (1979): Die Tyrannei der Werte, in: C. Schmitt, E. Jüngel, S. Schelz (Hrsg.), Die Tyrannei<br />
der Werte. Lutherisches Verlagshaus: Hamburg, S. 9-43, hier S. 13.<br />
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