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kostenfreier Download als PDF - Institut für Wirtschaftsforschung Halle

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<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Wirtschaftsforschung</strong> <strong>Halle</strong><br />

nach ihren Lebensumständen. Das wusste schon Karl Marx in seinem Nachdenken über<br />

den Zusammenhang von Sein und Bewusstsein. Doch die dahinterliegende Grundfrage<br />

ist <strong>für</strong> Reiche und Arme, Männer und Frauen, Deutsche und Ausländer, Manager und<br />

Arbeitslose im Kern erstaunlich ähnlich: Es ist die aristotelische Frage nach dem, was<br />

ein Leben zu einem guten Leben macht, und diese stellt sich fast jedem Menschen, unabhängig<br />

von Alter, Rasse, Hautfarbe oder Beruf. Ganz erheblich unterscheiden werden<br />

sich, je nach Perspektive, die Antworten und die damit verbundenen individuellen<br />

Wertungen. Aufgrund dieser Heterogenität ist der Begriff der „Leitkultur“ auch so<br />

problematisch, weil das Präfix „Leit-“ vor dem Wort „Kultur“ einen klaren Führungsanspruch<br />

einer sie verordnenden Gruppe signalisiert, die diese Leitkultur und deren<br />

Grundwerte proklamiert: An einem Leitstern orientiert man sich, ein Leittier führt eine<br />

Herde, und ein Leitprinzip ist anderen Prinzipien vor- oder übergeordnet. Wer aber hat<br />

die gesellschaftliche Definitionshoheit über solche Leit-Werte, wenn doch nach den<br />

bisherigen Ausführungen klar ist, dass es schließlich immer das Individuum ist, das<br />

tagtäglich wertet und so entscheidet, was ihm mehr oder weniger wertvoll ist? Wenn<br />

aber „die Politik“ oder „das Kollektiv“ bestimmte Werte zum Teil einer gesellschaftlichen<br />

Leitkultur erhebt, dann sind diese plötzlich doch wieder dominant und drohen<br />

andere Wertvorstellungen an die Seite zu drängen – mit allen Nebenwirkungen. Ein<br />

Beispiel: Mobilität und Flexibilität sind erwünschte Werte in einem globalisierten Arbeitsmarkt.<br />

Oft kommt es dabei aber zum Konflikt mit dem Wunsch nach familiärer<br />

Bindung oder lokaler Verwurzelung. Was ist hier das Wertvollere? Ein erfülltes Privatleben<br />

oder Erfolg im Beruf? Das individuell, gesellschaftlich oder ökonomisch Erwünschte?<br />

Wer in diesem Zusammenhang <strong>für</strong> einen Moment das Wort „Leitkultur“ seiner sprachlichen<br />

Hülle entkleidet und nach dem fragt, was es inhaltlich beschreibt, der kommt zurück<br />

zur Frage, wer hier wen leitet und wer geleitet wird. Dabei sind Wertorientierungen<br />

wie gezeigt gerade nichts Statisches und Menschen niem<strong>als</strong> allein auf der Welt.<br />

Schon der Dichter John Donne brachte diesen Zusammenhang im 17. Jahrhundert auf<br />

den Punkt:<br />

„No man is an island, entire of itself; every man is a piece of the continent, a part of the<br />

main.“<br />

Gleichzeitig besteht gerade in Zeiten zunehmender Globalisierung ein steigendes Bedürfnis<br />

nach gemeinsamen Wertvorstellungen, nach einer Ethik der Globalisierung und<br />

nach Wirtschaftsethik im Besonderen, gerade weil globale Zusammenhänge <strong>für</strong> den<br />

Einzelnen so unübersichtlich werden – man denke nur an die aktuellen Kapitalmarktkrisen.<br />

Wie aber kann und sollte Wirtschaftsethik auf dieses Bedürfnis eingehen, wenn<br />

doch gezeigt wurde, dass der Vorgang des Wertens ein höchst individueller ist? Kann es<br />

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