30.01.2014 Aufrufe

Eine computerlinguistische Untersuchung des Genitivschwundes

Eine computerlinguistische Untersuchung des Genitivschwundes

Eine computerlinguistische Untersuchung des Genitivschwundes

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

2. Theoretischer Hintergrund<br />

1730. Er stellte fest, dass sich das Auftreten von Genitivobjekten vor allem in solchen<br />

Texten verringerte, die nahe an der gesprochenen Sprache geschrieben wurden und<br />

einen unterhaltenden oder privaten Charakter hatten. Damit drückt das Genitivobjekt<br />

als Stilmittel ein gehobeneres Register und eine höhere Stilschicht aus, was der<br />

Äußerung einen archaischen Klang verleiht. Darüber hinaus zeigte sich, dass in den<br />

letzten beiden analysierten Zeiträumen das Genitivobjekt auffallend häufig in Texten,<br />

die „sprachlich und stilistisch durch alte Textvorlagen, durch lateinische Ursprungstexte,<br />

durch Kanzleistil, Rechtssprache oder Sprache der Bibel in starkem Maße<br />

geprägt“ (Fischer, 1992: 333) sind, auftraten. Laut Fleischer & Schallert (2011) ist der<br />

adverbale Genitiv vor allem im Rechtsbereich bis heute noch stark vertreten.<br />

Innerhalb <strong>des</strong> Sprachsystems spielt vor allem die Alternation mit anderen Objekttypen<br />

eine herausragende Rolle. Hierzu findet Donhauser (1998) bereits Belege in althochdeutscher<br />

Zeit. Die Autorin zeigt, dass die Unterteilung in zwei- und dreiwertige Verben<br />

einen Einfluss auf das Genitivobjekt hat. Bei den zweiwertigen Verben im Althochdeutschen<br />

gibt es nicht nur genitivfähige Verben, die als Objekt ausschließlich einen<br />

Genitiv nehmen, sondern auch solche, bei denen es zur Alternation zwischen einem<br />

Genitivobjekt und einem Akkusativ- oder Dativobjekt kommt. Donhauser (1998) identifiziert<br />

im Althochdeutschen min<strong>des</strong>tens 25 Verben, bei denen Genitiv und Akkusativ in<br />

Alternation stehen. Dreiwertige Verben können zwar zusammen mit einem Genitivobjekt<br />

und zusätzlich einem Dativ- oder Akkusativobjekt auftreten, jedoch gibt es<br />

hierbei nach Donhauser (1998) keine Objektalternation.<br />

Diese Genitiv-Akkusativalternation, die bis in die mittelhochdeutsche Zeit reicht, bringt<br />

semantische Besonderheiten, unter anderem den Partitivitätseffekt, mit sich. Das Verb<br />

tritt dann mit Genitiv auf, wenn die Handlung, die es darstellt, nicht bis zum Schluss<br />

durchgeführt wurde und das Objekt nur teilweise von der Verbalhandlung betroffen ist.<br />

Hierbei spricht man vom partitiven Genitiv. Ist das Objekt aber vollständig davon<br />

betroffen, tritt das Verb mit Akkusativ auf. Im Neuhochdeutschen ist der partitive<br />

Genitiv nur selten zu finden, statt<strong>des</strong>sen wird der Betroffenheitsgrad <strong>des</strong> Objekts durch<br />

Anwendung beziehungsweise Streichung <strong>des</strong> bestimmten Artikels ausgedrückt (siehe<br />

Fleischer & Schallert, 2011). Zudem bekommen im Althochdeutschen Sätze, in denen<br />

Verben mit dieser Alternation einen Akkusativ als Objekt nehmen, eine resultative oder<br />

punktuelle Bedeutung. Die Handlung gilt somit als abgeschlossen. Bei nicht abgeschlossenen<br />

oder bei über einen längeren Zeitraum andauernden Handlungen wird<br />

Genitiv verwendet (siehe Donhauser, 1998). Fleischer & Schallert (2011) weisen darauf<br />

hin, dass in diesem Fall der Aspekt, der darüber Auskunft gibt, ob eine Verbal-<br />

8

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!