Eine computerlinguistische Untersuchung des Genitivschwundes
Eine computerlinguistische Untersuchung des Genitivschwundes
Eine computerlinguistische Untersuchung des Genitivschwundes
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6. Diskussion<br />
6. Diskussion<br />
Der allgemeine Rückgang in der Verwendung <strong>des</strong> Genitivs innerhalb der drei Novellen<br />
lässt sich nicht leugnen. Dennoch sind nicht alle Ergebnisse, die durch das Programm<br />
erzielt wurden, eindeutig als Beweise für den Genitivschwund zu werten. Geht man<br />
näher auf einige Merkmale der einzelnen Genitivtypen ein, so entstehen Zweifel, die<br />
die Gültigkeit dieser Merkmale hinsichtlich <strong>des</strong> Gesamtergebnisses betreffen.<br />
Zwar werden bei Goethe im Vergleich zu den anderen beiden Novellen noch viele<br />
unterschiedliche Pronomen im Bereich der adnominalen Genitive mit Indefinitpronomen<br />
verwendet, doch betrachtet man diese genauer, so findet man einige Unstimmigkeiten.<br />
Beispielsweise das Pronomen deinesgleichen, welches als substituieren<strong>des</strong><br />
Indefinitpronomen annotiert wurde, enthält das Possessivpronomen deines und<br />
ist somit weniger indefinit, sondern zeigt einen definiten Besitz an. Nichts<strong>des</strong>totrotz<br />
fungiert das Pronomen als ein Ganzes und ersetzt dabei eine Person und sollte nicht<br />
auf <strong>des</strong>sen einzelne Bestandteile zurückgeführt werden. Deshalb wird es innerhalb <strong>des</strong><br />
Programmes unter den adnominalen Genitiven mit Indefinitpronomen aufgeführt. Dies<br />
ändert zwar nichts am Gesamtergebnis, der Schwund <strong>des</strong> adnominalen Genitivs mit<br />
Indefinitpronomen wäre allerdings durch die Streichung dieses nicht-eindeutigen<br />
Pronomens weniger frappierend gewesen.<br />
Ferner ist die Vielfalt der Pronomen nicht aussagekräftig genug. Immerhin kommen bei<br />
Timm nur noch vieler und aller vor, jedoch sind die Pronomen, die bei den anderen<br />
beiden Autoren verwendet werden, durchaus noch im heutigen Sprachgebrauch zu<br />
finden. Dieser Komplettausfall einiger Indefinitpronomen in der modernen Novelle ist<br />
weniger als Grund für einen Schwund innerhalb dieser Gruppe zu deuten. Vielmehr<br />
schwindet diese Gruppe wohl im Zuge <strong>des</strong> gesamten Rückgangs <strong>des</strong> adnominalen<br />
Genitivs.<br />
Auch das geringere Auftreten belebter Nomen bei den adnominalen Genitiven mit<br />
indefinitem Artikel könnte daraus resultieren, dass sie lediglich im analysierten Text<br />
seltener auftreten, aber nicht unbedingt allgemein zurückgegangen sind. Um dies zu<br />
evaluieren, müsste ein größerer Korpus hinzugezogen werden. Darüber hinaus ist<br />
„Novelle“ wesentlich kürzer als „Die Entdeckung der Currywurst“. Somit kann nicht<br />
hundertprozentig über das einzelne Auftreten bestimmter Formen textübergreifend<br />
argumentiert werden.<br />
Dieser Punkt stellt auch eine Schwachstelle in der Argumentationskette für den<br />
Rückgang der adnominalen Genitive mit Demonstrativpronomen und den minimalen<br />
Schwund der Genitive mit Possessivpronomen dar. Das seltene Auftreten bestimmter<br />
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