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Eine computerlinguistische Untersuchung des Genitivschwundes

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6. Diskussion<br />

stattfand und während in den älteren Novellen solche Konstruktionen noch mit Genitiv<br />

vorkamen, sie in der modernen Novelle bereits mit Dativ auftreten. Unterstützt wird<br />

diese These von den Ergebnissen für die Präpositionen, die eigentlich Genitiv zu sich<br />

nehmen sollten, aber mit einem anderen Kasus erscheinen. Diese sind schließlich bei<br />

den älteren beiden Novellen nicht zu finden, während in Timms Werk drei derartige<br />

Konstruktionen auftreten. Laut Duden handelt es sich bei „wegen APPR Fahnenflucht<br />

NN“ (cur-output.txt: Z.591) um ein allein stehen<strong>des</strong>, stark gebeugtes Substantiv im<br />

Singular, welches in Verbindung mit wegen nicht gebeugt wird. Zwar kann an dieser<br />

Stelle weder von einem Dativ, noch von einem präpositionalen Objekt gesprochen<br />

werden, jedoch taucht auch kein Genitiv auf. Des Weiteren kommt wegen sogar einmal<br />

mit Dativ vor und inmitten mit einem Präpositionalobjekt. Somit kann die Stabilität der<br />

Genitive, die von einer Präposition ausgelöst werden, stark angezweifelt werden.<br />

Nichts<strong>des</strong>totrotz werden auch bei Timm eindeutige Beispiele für die genitivische<br />

Verwendung derselben Präpositionen gefunden, zum Beispiel „wegen APPR <strong>des</strong> ART<br />

Currys NN“ (cur-output.txt: Z.573), und die Konkurrenzen müssen von anderen Faktoren<br />

abhängig sein. Beispielsweise könnte der dialektale Bezug <strong>des</strong> Sprechers oder<br />

Erzählers dafür verantwortlich sein. Auffällig ist, dass sobald eine nicht-eindeutige oder<br />

konkurrierende Konstruktion gefunden wird, Frau Brücker das Wort im Gespräch übernimmt.<br />

Dies unterstreicht den umgangssprachlichen Charakter dieser Konkurrenzen,<br />

denn Frau Brücker neigt zu einem Hamburger Dialekt (siehe Timm, 2008). Um also<br />

genaue Aussagen über den Kasus mancher Konstruktionen machen zu können,<br />

müsste hier eine neue <strong>Untersuchung</strong> unter Berücksichtigung der jeweiligen Sprecher<br />

und Gesprächslage angesetzt werden. Die Behauptung, dass dieser Bereich <strong>des</strong><br />

Genitivs im Laufe der untersuchten Zeitspanne komplett stabil geblieben sei, muss<br />

zurückgenommen werden.<br />

Über Adjektive, die Genitive auslösen, kann keine äquivalente Aussage gemacht<br />

werden, jedoch lassen sich auch hier Schwachstellen aufzeigen. Für die drei Adjektive,<br />

die bei Goethe gefunden wurden, konnte nicht bewiesen werden, dass es sich<br />

tatsächlich um Genitive handelt, denn wiederum trat der ambige Artikel der auf. In „Der<br />

Tod in Venedig“ kommt dreimal ein Genitiv vor, der durch das Adjektiv bewußt<br />

ausgelöst wurde. Hentschel (2010b) führt dieses Adjektiv eindeutig als Genitiv auslösend<br />

auf. In der neuesten Novelle wird kein derartiges Vorkommen registriert. Insgesamt<br />

wurde nur eine einzige konkurrierende Konstruktion mit eindeutigem Dativ bei<br />

Mann gefunden, wofür jedoch dort kein genitivisches Gegenstück vorkommt. Gänzlich<br />

kann also nicht von einem Genitivschwund dieser Formen ausgegangen werden, denn<br />

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