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Eine computerlinguistische Untersuchung des Genitivschwundes

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6. Diskussion<br />

Ein interessanter Fall, der bereits im vorherigen Kapitel erwähnt wird, ist unter den<br />

freien Genitiven zu finden. Dort wird davon ausgegangen, dass dieser Genitivtyp stabil<br />

bleibt, sich jedoch in seiner Form stark verändert. Aber gerade diese Änderung ist erstaunlich:<br />

Während sich in den anderen beiden Novellen noch vielfältige freie Genitive<br />

finden lassen, so tauchen in der modernen Novelle nur noch Formen auf, die sich aus<br />

einem unbestimmten Artikel und einer Form der Tageszeit zusammensetzen. Wie<br />

bereits erwähnt, sticht hier „<strong>Eine</strong>s PIS Nachts ADV“ (cur-output.txt: Z.555) heraus, da<br />

das weibliche Nomen Nacht als männlicher Genitiv verwendet wird. In dieser Gruppe<br />

kommen folglich nur noch feststehende Wendungen vor und es werden auch genau<br />

diese nachgeahmt, denn freie Genitive, vor allem adverbiale, sind heutzutage nicht<br />

mehr produktiv (siehe Lipavic Ostir, 2010). Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass<br />

innerhalb dieses Genitivtyps ein deutlicher Schwund stattfand und im Gegenteil zur<br />

ursprünglichen Vermutung keinesfalls von der Stabilität <strong>des</strong> freien Genitivs ausgegangen<br />

werden kann.<br />

Ein weiterer Problemfall wird von den Prä- und Postpositionen, die Genitiv übertragen,<br />

verdeutlicht. Oftmals ist nicht klar, ob es sich beim Attribut der Prä- oder Postposition<br />

tatsächlich um einen Genitiv handelt. Bereits die beiden Vorkommnisse, die bei Goethe<br />

gefunden wurden, lassen hierbei Zweifel aufkommen. Aufgrund der Ambiguität <strong>des</strong><br />

Artikels der kann nicht eindeutig unterschieden werden, ob ein Genitiv oder ein Dativ<br />

auftaucht. Konsultiert man dazu die Experten vom Duden 14 , wird schnell deutlich, dass<br />

die Präposition anstatt vorrangig mit Genitiv auftritt und an dieser Stelle richtig erkannt<br />

wird. Auch die Konstruktion mit wegen kann als Genitiv interpretiert werden, eine<br />

dativische Interpretation wäre als umgangssprachlich zu werten. Derartige Konstruktionen<br />

lassen sich zudem bei Mann finden, können aber nach Konsultation <strong>des</strong> Dudens<br />

ebenfalls als Genitive gezählt werden. <strong>Eine</strong> interessante Konstruktion bei Mann, die<br />

wiederum bei Timm dreimal auftaucht, ist jene, die aus voller und einem nachfolgenden<br />

Nomen ohne Artikel besteht. Wie kann man sich hier sicher sein, dass es sich um<br />

einen Genitiv handelt? Der Duden gibt an, dass die Präposition voller nur in seltenen<br />

Fällen gemeinsam mit Dativ auftritt, weshalb die genitivische Lesart bevorzugt werden<br />

sollte. Weiterhin fallen bei Timm mehrere Konstruktionen mit wegen auf, bei denen<br />

unklar ist, ob Dativ oder Genitiv gebraucht wurde.<br />

Geht man davon aus, dass es sich bei Novellen um Textformen handelt, die wegen<br />

ihres gesprächshaften Charakters nahe an der gesprochenen Sprache liegen, so<br />

könnte man durchaus behaupten, dass die gefundenen Problemfälle von dativischer<br />

Natur sind. Zudem könnte man postulieren, dass eine Umkehr von Genitiv zu Dativ<br />

14 Erscheint der Begriff Duden, wird stets auf Duden online (2013) zurückgegriffen.<br />

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