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Eine computerlinguistische Untersuchung des Genitivschwundes

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2. Theoretischer Hintergrund<br />

2.2.1 „Novelle“ von Johann Wolfgang von Goethe<br />

„»Wissen Sie was,« sagte Goethe, »wir wollen es die ›Novelle‹ nennen; denn was ist<br />

eine Novelle anders als eine sich ereignete, unerhörte Begebenheit. Dies ist der<br />

eigentliche Begriff, und so vieles, was in Deutschland unter dem Titel Novelle geht, ist gar<br />

keine Novelle, sondern bloß Erzählung oder was Sie sonst wollen.«“<br />

(Eckermann, 1981: Kap. 79)<br />

Auch Aust (2012) stimmt damit überein, dass der Titel von Goethes Werk durchaus<br />

passend gewählt ist. So spricht er vom Novellentitel als ein „Spiel mit verschiedenen<br />

literarischen Formen“ (Aust, 2012: 95). Die Charakteristik einer Novelle wird hier nicht<br />

durch einen Rahmen verdeutlich, sondern die Identität der Novelle kommt eben im<br />

Aufbrechen dieses Rahmens als Metamorphose zum Vorschein (siehe Aust, 2012).<br />

In Goethes „Novelle“ geht es zunächst um einen Fürsten, der zur Jagd gehen möchte<br />

und sich <strong>des</strong>halb von seiner Gemahlin verabschiedet. Um die Fürstin bei Laune zu<br />

halten, schlägt er ihr vor, einen Spazierritt zu unternehmen. Diese nimmt den Vorschlag<br />

an und beginnt wenig später einen Ausritt zu den Ruinen einer alten Stammburg.<br />

Begleitet wird sie dabei von ihrem Stall- und Hofjunker Honorio und dem<br />

fürstlichen Oheim Friedrich. Die erste Station ihres Spazierritts soll der städtische Jahrmarkt<br />

sein. Beim Jahrmarkt angekommen treffen sie auf einen brüllenden Löwen und<br />

einen Tiger, die dort in einem Käfig zur Schau stehen. Anschließend setzen sie ihre<br />

Reise zur Stammburg fort. Dort eingetroffen entdeckt Honorio mit Hilfe eines Fernrohrs,<br />

dass der soeben besuchte Jahrmarkt in Flammen steht. Auf der Rückreise zur<br />

fürstlichen Residenz erscheint plötzlich ein Tiger vor ihnen, der durch den Brand vom<br />

Jahrmarkt fliehen konnte. Dieser scheint die Fürstin angreifen zu wollen, doch Honorio<br />

ist zur Stelle und tötet den Tiger mit einem Schuss in den Kopf.<br />

Kurz darauf erscheinen die exotischen Besitzer <strong>des</strong> Tigers, vermutlich die Wärterin und<br />

deren Sohn, ein junger Knabe mit einer Flöte. Die Wärterin beklagt lautstark den<br />

unnötigen Tod ihres Tieres. Dabei wird auch der Besonderheit der fremden Sprache<br />

dieser Frau Beachtung geschenkt:<br />

„<strong>Eine</strong> natürliche Sprache, kurz und abgebrochen, machte sich eindringlich und rührend.<br />

Vergebens würde man sie in unsern Mundarten übersetzen wollen; den ungefähren<br />

Inhalt dürfen wir nicht verfehlen […].“<br />

(Goethe, 1828: Kap. 5)<br />

Nun erscheint der Fürst mit seinem Jagdgefolge. Zudem tritt der Mann der Wärterin auf<br />

und verkündet, dass auch der Löwe aus seinem Käfig entkommen sei. Wenig später<br />

wird klar, dass sich der Löwe in der soeben besuchten Burgruine friedlich sonnt. Aus<br />

Angst auch seinen Löwen zu verlieren, bittet der Wärter den Fürsten darum, ihn auf<br />

seine eigene Weise wieder einfangen zu dürfen. So soll der Sohn den Löwen durch<br />

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