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Eine computerlinguistische Untersuchung des Genitivschwundes

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2. Theoretischer Hintergrund<br />

gezählt, wie oft auf 100 Satzglieder ein Genitivobjekt erscheint. Lindgren (1969) fand<br />

hierbei heraus, dass bei Otfrid die relative Frequenz <strong>des</strong> Genitivobjekts 9,4 %, im<br />

Nibelungenlied 9,0 %, bei Luther 3,6 %, bei Goethe 1,2 % und bei Musil 1,0 % betrug,<br />

während in der Zeitschrift Zeit die Frequenz nur noch bei 0,2 % lag (siehe Fleischer &<br />

Schallert, 2011).<br />

Diese Beobachtung und auch die Resultate Sommerfeldts (1966), der feststellt, dass<br />

zwar in Zeitungstexten aus dem Jahr 1860 das Genitivobjekt noch mit einer Frequenz<br />

von 1,5 % auftritt, im Jahr 1960 das Genitivobjekt aber lediglich noch in einer Frequenz<br />

von 0,6 % vorkommt, lassen darauf schließen, dass auch in jüngeren neuhochdeutschen<br />

Sprachstufen das Genitivobjekt mehr und mehr verschwindet.<br />

Viele neuhochdeutsche genitivfähige Verben haben ferner die Eigenschaft, dass sie<br />

mehrere Objekttypen zu sich nehmen können, die somit in Konkurrenz zueinander<br />

stehen. So kann zum Beispiel bei einigen Verben ein Akkusativobjekt anstatt eines<br />

Genitivobjekts auftreten (Fleischer & Schallert, 2011: 83):<br />

„ich entbehre seines Rates/ seinen Rat“<br />

Zudem können auch Präpositionalobjekte, vor allem bei reflexiven Verben, einen<br />

Genitiv ersetzen (Fleischer & Schallert, 2011: 84):<br />

„ich erinnere mich seiner/ ich erinnere mich an ihn“<br />

Weiterhin kommt es vor, dass der adverbale Genitiv bei manchen Verben nur noch in<br />

feststehenden Wendungen auftritt (Fleischer & Schallert, 2011: 84):<br />

„er freut sich <strong>des</strong> Lebens vs. *er freut sich <strong>des</strong> Geschenkes“<br />

Außerdem ist nach Fleischer & Schallert (2011) in den Dialekten der neuhochdeutschen<br />

Sprache bis auf wenige archaische Ausnahmen ein vollständiger Abbau <strong>des</strong><br />

adverbalen Genitivs bis hin zu einem Drei-Kasus-System zu erkennen.<br />

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