Eine computerlinguistische Untersuchung des Genitivschwundes
Eine computerlinguistische Untersuchung des Genitivschwundes
Eine computerlinguistische Untersuchung des Genitivschwundes
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5. Ergebnisse der <strong>computerlinguistische</strong>n Analyse<br />
Adnominale Genitive mit indefinitem Artikel zeichnen sich mit zunehmender Aktualität<br />
der Novellen lediglich dadurch aus, dass der Anteil der belebten Genitive leicht<br />
abnimmt. Somit scheinen die unbelebten indefiniten Genitive stabiler zu sein, während<br />
belebte heutzutage eher unüblich sind. Eigennamen kommen in dieser Gruppe nicht<br />
vor.<br />
Innerhalb der adnominalen Genitive mit Possessivpronomen besteht die Auffälligkeit<br />
darin, dass hauptsächlich nur Genitive mit den Pronomen ihrer, ihres, seiner oder<br />
seines gebildet werden. Ansonsten erscheint lediglich meiner zweimal in „Die<br />
Entdeckung der Currywurst“ und einmal in „Novelle“. In „Der Tod in Venedig“ kommt<br />
neben den erstgenannten einmal das Pronomen unseres vor. Diese Genitive werden<br />
im modernen Text der <strong>Untersuchung</strong> zufolge immer noch in gleicher Weise verwendet<br />
wie beim ältesten, was einmal mehr die Stabilität dieser Genitivgruppe unterstreicht.<br />
Die Demonstrativpronomen, die in adnominalen Genitiven auftreten, zeigen ein interessanteres<br />
Verhalten. Das Demonstrativpronomen jener bzw. jenes ist bei Goethe und<br />
Mann noch zu finden, während es bei Timm gar nicht mehr auftaucht. Zudem ist bei<br />
Mann ein höherer Anteil dieses Pronomens im Vergleich zu dieser oder dieses als bei<br />
Goethe zu finden. Dies verstärkt erneut die Annahme, Thomas Mann neige zu einer<br />
übermäßig häufigen Genitivverwendung, indem er bewusst veraltete Formen verwendet.<br />
Weiterhin ist eine Verbindung <strong>des</strong> Genitivs mit all derer nur bei ihm zu finden.<br />
Bei Goethe kommen die adnominalen Genitive mit Indefinitpronomen noch in den<br />
unterschiedlichsten Formen vor und auch die Anteile der substituierenden und<br />
attribuierenden Pronomen sind ausgeglichen. Bei den neueren Novellen fällt auf, dass<br />
jeweils nur noch ein substituieren<strong>des</strong> Pronomen auftritt. Auch bei Mann treten<br />
unterschiedliche Pronomen auf, während bei Timm fast ausschließlich aller gebraucht<br />
wird. Dieser Diversitätsverlust könnte an dem allgemeinen Schwund dieser Konstruktionen<br />
zum Großteil beteiligt sein.<br />
In derselben Gruppe zeichnen sich die Genitive mit Adjektiv ohne Artikel dadurch aus,<br />
dass vor allem nur Adjektive mit der Endung –er, also weiblich Singular und Plural<br />
sowie männlich Plural, vorkommen. Bei Goethe und Timm ist die Parallele zu<br />
erkennen, dass jeweils nur ein einziges männliches Adjektiv im Plural auftaucht.<br />
Vergleicht man dies mit dem gesamten Vorkommen dieser Genitivsorte, so wird<br />
deutlich, dass das männliche Pluraladjektiv einen geringeren Anteil bei Timm als bei<br />
Goethe ausmacht. Bei Mann kommen diese Genitive häufiger vor, jedoch ist auch die<br />
gesamte Zahl ihres Auftretens höher. Der weibliche Genitiv scheint insbesondere hier<br />
noch gut erhalten zu sein.<br />
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