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spezial | Wasserflug | Grundlagenserie | Teil 43<br />
Mit steigender Geschwindigkeit entwickelt sich dabei eine<br />
besonders ungünstige Verteilung, die dazu führt, dass der<br />
Rumpf gleichsam immer einen Wasserberg hinauffahren<br />
muss. Es wird überproportional viel Antriebsleistung benötigt<br />
– dargestellt in Abbildung 4.<br />
Abbildung 6: Eine Abrisskante verringert die<br />
Kontaktfläche im Gleiten<br />
Wird nun jedoch die Geschwindigkeit noch weiter gesteigert,<br />
wird es für das Wasser schwer, schnell genug dem<br />
Rumpf auszuweichen. Die Bugwelle drückt sich dann<br />
gleichsam unter den Rumpf und hebt ihn plötzlich aus<br />
dem Wasser heraus. Nun wird aber kaum noch eine<br />
Bugwelle erzeugt und die Widerstandverhältnisse ändern<br />
sich schlagartig hin zu sehr viel kleineren Werten. Der<br />
Rumpf beginnt zu gleiten, das heißt, nicht der Verdrängungsauftrieb<br />
hält ihn nunmehr über Wasser, sondern<br />
eben der Trägheitseffekt des Wassers. Man kann diesen<br />
Vorgang des Einholens der eigenen Bugwelle ähnlich be <br />
greifen, wie das Überschreiten der Schallgeschwindigkeit.<br />
Nur ist die Phasengeschwindigkeit <strong>von</strong> Wasserwellen we <br />
sentlich geringer als die des Schalls. Die Grenze wird also<br />
schon bei sehr geringen Geschwindigkeiten <strong>von</strong> einigen<br />
Kilometern pro Stunde erreicht – vergleiche Abbildung 5.<br />
Abbildung 4: Eine ungünstige<br />
Struktur <strong>von</strong> Bugund<br />
Heckwelle führt zu<br />
einer überproportional<br />
hohen Antriebsleistung<br />
festsaugt. Diese abwärts gerichtete Kraft muss nun neben<br />
der Gewichtskraft zusätzlich aufgebracht werden. Wird die<br />
Kontaktfläche jetzt nicht beispielsweise durch Wellen<br />
unterbrochen, kann teilweise ein Start völlig verhindert<br />
werden. Die ersten manntragenden Muster hatten genau<br />
dieses Problem. Bei ruhiger Wasseroberfläche war ein Start<br />
kaum möglich.<br />
Abhilfe<br />
Der Trick zur Vermeidung des Problems ist indes sehr einfach.<br />
Da im Gleitzustand die Fläche, die nötig ist, um das<br />
Flugzeug aus dem Wasser zu heben, wesentlich kleiner<br />
sein muss, als die gesamte Unterseite des Rumpfs, fügt<br />
man eine Abrisskante ein, wie in Abbildung 6 dargestellt.<br />
Da das Wasser nicht in der Lage ist, eine scharfe Kante zu<br />
umströmen – dazu müsste es eine extrem hohe Geschwindigkeit<br />
erreichen und dazu ist nicht genügend Druckenergie<br />
im Medium vorhanden – löst sich die Strömung an der<br />
Kante <strong>von</strong> der Fläche ab. Die effektive Kontaktfläche ist<br />
nun deutlich kleiner geworden. Jetzt ist nur noch eine ge <br />
ringe zusätzliche Kraft nötig, um das Flugzeug vom Wasser<br />
wegzubringen.<br />
Die übliche Startgeschwindigkeit eines Wasserflugzeugs ist<br />
wesentlich höher, sodass bei der Konstruktion der Rumpfform<br />
keine Verdrängerform, sondern die eines Gleiterrumpfs<br />
zu verwenden ist. Natürlich muss dabei der gesamte Rumpf<br />
so viel Auftrieb liefern, wie es dem Gewicht des <strong>Modell</strong>s<br />
entspricht. In den Anfängen des Wasserflugs hatte man<br />
der genauen Formgebung noch wenig Beachtung geschenkt.<br />
Die ersten Muster waren gleichsam Schiffsrümp fe mit<br />
Tragflächen. Doch zeigte sich sehr schnell ein Pro blem. Da<br />
selbst im Gleitzustand ein Rumpf mit stetig geformter<br />
Unterseite noch immer eine sehr große Kontakt fläche mit<br />
dem Wasser hat, hat der Bernoulli-Effekt sehr negative<br />
Folgen. Bewegt man ein fluides Medium an einer Fläche<br />
vorbei, so entsteht aus Gründen der Energieer hal tung ein<br />
Druck auf der Fläche, der geringer ist als derjenige, der herrschen<br />
würde, wenn die Strömungsgeschwindigkeit Null<br />
wäre. Beim Wasserflug zeug hat das zur Folge, dass sich<br />
die Rumpfunterseite gleichsam an der Wasseroberfläche<br />
Abbildung 5:<br />
Wellenstruktur eines<br />
Gleiterrumpfs<br />
Doch wo ist diese Abrisskante – die sogenannte Stufe – zu<br />
positionieren? Da nur der Teil der Rumpfunterseite den dy namischen<br />
Auftrieb im Wasser erzeugt, muss als Grundanforderung<br />
gelten, dass die Fläche mindestens so groß ist,<br />
dass sie bei der aerodynamischen Mindestgeschwindigkeit,<br />
bei der die Tragfläche als solche zu arbeiten beginnt, ausreichend<br />
dynamischen Auftrieb erzeugt, um den Rumpf im<br />
Gleiten zu halten. Sie sollte jedoch im Gegenzug so klein wie<br />
möglich gehalten werden, um den Effekt des Festsau gens zu<br />
minimieren. Dies läuft auf einen Kompromiss hinaus, der<br />
stark <strong>von</strong> der Masse des <strong>Modell</strong>s und der Trag fähigkeit seiner<br />
Tragfläche abhängt. Je leichter das <strong>Modell</strong> gebaut ist, desto<br />
kleiner kann die Gleitfläche vor der Stufe sein und umso leichter<br />
ist es, das Flugzeug auch <strong>von</strong> der Wasseroberfläche zu<br />
lösen. Bei den üblichen Konstruk tionen endet die Stufe oft in<br />
der Nähe des ersten Drittels des Rumpfs. Einen gewissen<br />
Einfluss hat zudem der Nei gungswinkel, unter dem der<br />
Rumpf angestellt ist. Er sollte idealer Weise gerade so groß<br />
sein, dass der Anstellwinkel der Tragflächen nicht dazu führt,<br />
dass der Maximalauftrieb überschritten wird. Um dies zu<br />
gewährleisten, befindet sich die Stufe in der Regel nahe des<br />
Schwerpunkts des <strong>Modell</strong>s. Der optimale Bereich lässt sich<br />
dabei nur mit großem Aufwand berechnen. Erfolg versprechender<br />
ist es, sich dem Optimum experimentell zu nähern.<br />
Hat man die Stufe zu weit vorverlegt, lässt sie sich meistens<br />
nach hinten verlängern. Der umgekehrte Fall wäre dagegen<br />
konstruktiv schon sehr viel aufwändiger.<br />
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