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8 WIRTSCHAFTSPOLITISCHE FORDERUNGEN DES GROSSANLAGENBAUS Zukunftssicherung heißt auch Globalisierung Über all diesen Maßnahmen zur Zukunftssicherung ist der Druck zur Globalisierung für den Großanlagenbau ein prägendes Thema. Die hinter der Globalisierung stehenden Organisationsansätze sind nicht einheitlich. Die größte Herausforderung bei diesem Veränderungsprozess ist die Integration von Kompetenzen der ausländischen Niederlassungen in die Prozesse. Die Unternehmen müssen ihre Internationalisierung auch durch eine Stärkung ihrer interkulturellen Kompetenzen unterstützen. Diese dürften für eine erfolgreiche Globalisierung wohl ähnlich bedeutsam sein wie weltweit standardisierte Prozesse und Werkzeuge. Weiterentwicklung der deutschen Exportkreditversicherung Preis, Zeit und globale Ausrichtung sind die Herausforderungen, die auch für die deutsche Ex - portkreditversicherung gelten. Diese hat sich seit ihrer Gründung vor mehr als 50 Jahren immer wieder an die Anforderungen der Exportwirtschaft angepasst. Die Bundesregierung hat diese Gestaltungskraft in Zeiten strukturellen Wandels eindrücklich unter Beweis gestellt: Die deutsche Hermesdeckung ist eine dauerhaft notwendige Einrichtung in Ergänzung zur privaten Versicherung. Ihre Weiterentwicklung erfolgt einmal auf supranationaler Ebene im Rahmen der OECD. Deren Regelwerk für einen fairen Wettbewerb steht zunehmend im Spannungsfeld mit den Usancen der im Welthandel immer bedeutender werdenden Volkswirtschaften außerhalb des OECD-Rahmens, insbesondere den BRIC-Staaten. Daneben steht innerhalb der OECD die bei allen Regierungen und Exportkreditversicherern gleichgerichtete Anwendung der selbst gesetzten Regeln zur praktischen Gewährleistung eines fairen Wett - bewerbs. Auf nationaler Ebene setzen die OECD- Vereinbarungen den „äußeren“ Rahmen für die konkrete Anwendung bei den deutschen Exportkreditgarantien. In der politischen Ausgestaltung weicht die deutsche Exportkreditversicherung zum Teil deutlich von der ihrer OECD-Partner ab, die immer stärker auf ein „National interest“- Modell übergehen. Dadurch fallen deutsche An - bieter im internationalen Großanlagengeschäft weiter in ihrer Wettbewerbsfähigkeit zurück. Schere zwischen Praxis und politischer Wunschkonstellation öffnet sich Lieferungen und Leistungen aus dem Ausland im Rahmen eines Ausfuhrgeschäfts deckt der Bund in drei Stufen ab. Auslandsanteile von über 49 % werden aber nur im Ausnahmefall mit besonderer Begründung genehmigt (dritte Stufe). Diese An - fang 2008 eingeführte Stufenregelung war ein Schritt in die richtige Richtung. Doch die aus Sicht der Bundesregierung als Ausnahmefall gedachte Größenordnung von Lieferungen und Leistungen aus dem Ausland entwickelt sich im Großanlagenbau immer mehr zur unvermeidlichen Standardsituation, wenn die Chancen auf den Auftragserhalt gesichert werden sollen. Die Schere zwischen der Praxis im internationalen Anlagengeschäft und den politischen Wunschkonstellationen wird sich immer weiter öffnen. Rückversicherung, Mitversicherung oder Parallelversicherung zwischen den verschiedenen ECAs bieten zwar Möglichkeiten, um Projekte deck ungs - fähig zu gestalten. Die Mehrzahl der 23 Rück- und Mitversicherungsabkommen betreffen aber euro - päische Staaten, welche die Beschaffungsnotwendigkeiten des Großanlagenbaus regelmäßig nicht abdecken können. Es fehlen somit gerade Rückversicherungsmöglichkeiten mit den BRIC- Staaten und Südkorea. Gesamtanlagen können nicht am deutschen Standort erstellt werden Ein Anlagenbauer kann eine Gesamtanlage nicht im Inland komplett zusammensetzen und dann in das Land ihrer Verwendung transportieren. Die Anlage kann vielmehr nur im Verwendungsland final aufgebaut werden. Typischerweise muss der Großanlagenbauer Zusammen- und Aufbau der einzelnen Anlagenteile vor Ort auf dem Gelände des Kunden durchführen (lassen), da unüberwindliche logistische Hindernisse die Auslieferung der kompletten Anlage oder selbst
WIRTSCHAFTSPOLITISCHE FORDERUNGEN DES GROSSANLAGENBAUS 9 von Teilanlagen und Großkomponenten verhindern. Bei der Montage vor Ort fordern die Auftraggeber zudem mittlerweile fast durchgängig erhebliche Lokalisierungsgrade zur Entwicklung ihrer heimischen Volkswirtschaften. Der Zwang zur Leistungserbringung im Ausland erweist sich im deutschen System der Exportkreditversicherung zum strukturellen Nachteil. Dort, wo industrielle Produkte in Deutschland selbst hergestellt werden können, sind nennenswerte ausländische Lieferanteile im Wertschöpfungsprozess kein Ausschluss kriterium für die Deckungsfähigkeit eines Ge schäfts. Die in Deutschland produzier ende Industrie konzentriert sich in der heutigen hochspezialisierten und arbeitsteiligen Welt in zahlreichen Fällen auf die Entwicklung und auf die Montage der von ihr zugekauften Teile. Dabei ist es unerheblich, ob sie diese von deutschen oder ausländischen Zulieferern einkauft. Solange sie die entscheidenden letzten Weiterbearbeitungsschritte im Inland vornimmt, sind die Produkte mit einem deutschen Warenursprungszeugnis in der Exportkreditversicherung in ihrer Gesamtheit grundsätzlich deckungsfähig. Diese Regelung hat Sinn, da sie auf die letzten entscheidenden Weiterbearbeitungsschritte abstellt, die schlussendlich den Charakter des Produktes bestimmen. Anpassung des Drei-Stufen-Modells für den Großanlagenbau Die deutschen Unternehmen sind bestrebt, das Kern-Know-how in Deutschland zu sichern und damit ihre eigene Überlebens- und Weiterentwicklungsfähigkeit. „Der Balanceakt besteht dabei darin, einerseits durch Regionalisierung der Wertschöpfung zu wettbewerbsfähigen Kosten anbieten zu können, andererseits die Technologie möglichst komplett im eigenen Haus zu halten.“ (Dieter Rosenthal, Mitglied des Vorstandes, SMS Siemag AG). Die politische Motivation, Risiken aus dem langfristig finanzierten Exportgeschäft zu decken, die der private Versicherungsmarkt nicht adäquat übernehmen kann, ist für in Deutschland final erstellbare Exportprodukte sowie für nur im Verwendungsland final erstellbare Großanlagen als ähnlich wichtig einzuschätzen. Gleichwohl werden bislang die Besonderheiten des Großanlagenbaus nicht ausreichend im Rahmen der Feststellung der Deckungswürdigkeit berücksichtigt. Hermesdeckungen sichern nicht nur das jeweilige Anlagenbau-Projekt ab, sie sichern auch Arbeitsplätze im Inland bzw. bauen diese noch aus. Dies geht aus der Studie¹ des ifo-Instituts München im Auftrag des BMWi hervor. Im Großanlagenbau geht es hierbei insbesondere um die entscheidenden Kernkompetenzen in den Bereichen Prozesstechnologie, Planung sowie der damit eng verknüpften anspruchsvollen Be - schaffung von Schlüsselkomponenten. Derartige Projekte liefern substanzielle Beiträge zur Auslastung der Beschäftigung nicht nur beim deutschen Anlagenbauer selbst, sondern insbesondere auch bei dessen deutschen Unterlieferanten. Sie erfüllen auch wichtige im übergeordneten deutschen Interesse liegende Ziele. Industrielle Großprojekte sind der Grundpfeiler für das Image der deutschen Industrie als Technologielieferant. Sie stehen als weithin sichtbares Zeichen für die Kompetenzen einer Industrienation zur Be wäl ti - gung komplexester technisch-organisator ischer Aufgabenstellungen. Vor diesem Hintergrund regt der Großanlagenbau an, das bisherige Drei-Stufen-Modell für den Groß - anlagenbau anzupassen. Besonders wichtig ist die Planbarkeit des Erhalts einer Deckung für Ex - porteur und Bank im Voraus. Leider ist bislang eine Zusage nach einem aufwendigen Verfahren insbesondere bei einer Projektfinanzierung und bezüglich umweltrelevanter Fragen häufig erst gegeben, nachdem der Exporteur sein bindendes Angebot im Rahmen der Ausschreibung abgeben musste. 1 Vgl. ifo-Institut, Beschäftigungseffekte der Exportkreditgarantien der Bundesrepublik Deutschland „Hermesdeckungen“, Oktober 2011, verfügbar unter http://www.bmwi.de.
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