STRASSENBAHN MAGAZIN Dortmunds Straßenbahn (Vorschau)
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England: Crich<br />
Eine Lady im Rollstuhl mit Begleiterin. Mit einer der damaligen <strong>Straßenbahn</strong>en<br />
hätten sie wohl nicht mitfahren können – wie mobil wäre<br />
sie also damals wirklich gewesen?<br />
Herr Oberst und Gattin machen eine kleine Rast auf ihrem Spaziergang<br />
durch die Stadt. Solche Personen trifft man beim Edwardian Weekend<br />
im National Tram Museum auf Schritt und Tritt<br />
geraten sie in Konflikt mit der Staatsmacht,<br />
wenn sie etwa bei einer ihrer Kundgebungen<br />
einen <strong>Straßenbahn</strong>wagen besetzen und<br />
so den Verkehr blockieren. Schließlich muss<br />
sogar die Armee anrücken, um die Ordnung<br />
wieder herzustellen.<br />
Erlebnis auch für Pferdebahnfreunde<br />
Weil Anfang des 20. Jahrhunderts auch<br />
noch in vielen englischen Städten die Pferdebahn<br />
fuhr, ist während des „Edwardian<br />
Weekend“ in Crich auch ein Pferdebahnwagen<br />
im Einsatz – das einzige Mal im ganzen<br />
Jahr. Seit 1984 kommt in der Regel der<br />
1874 gebaute Pferdebahnwagen Nr. 15 aus<br />
Sheffield zum Einsatz. Lediglich von 1991<br />
bis 1995 fiel er aufgrund eines längeren<br />
Werkstattaufenthalts aus. Dieser Wagen<br />
war übrigens der erste, mit dem die Besucher<br />
bei Eröffnung des <strong>Straßenbahn</strong>museum<br />
in Crich 1963 fahren konnten. Triebwagen<br />
übernahmen erst nach Fertigstellung<br />
der elektrischen Anlage Mitte 1964 regulären<br />
Fahrbetrieb.<br />
Freilich war das Ende der Pferdebahn<br />
während der Regierungszeit von König Edward<br />
VII. bereits absehbar. So kommt es<br />
gegen Ende des Tages zu einer „Demonstration<br />
der Stalljungen“. Sie erfahren, dass<br />
ihre Pferdebahn stillgelegt werden soll und<br />
fürchten nun um ihre Arbeitsplätze. Nun<br />
tragen sie Transparente wie „Schützt die<br />
Pferdebahn“ oder „Schickt uns doch auch<br />
gleich zum Abdecker“. Auch warnen sie<br />
die Fahrgäste „Fahrt nicht mit der neuen<br />
Bahn, sie ist gefährlich“, denn man brauche<br />
nur die Oberleitung und die Schienen<br />
gleichzeitig berühren, um einen tödlichen<br />
Stromschlag zu erhalten … Schließlich<br />
kommt der Manager der Bahn in Frack<br />
und Zylinder und klärt die Situation, indem<br />
er den kompromissbereiten Arbeitern<br />
eine Beschäftigung bei der elektrischen<br />
Bahn verspricht. Nur der Stalljunge, der<br />
ihm respektlos den Zylinder vom Kopf<br />
schlug, wird sich wohl etwas anderes suchen<br />
müssen. NORBERT KUSCHINSKI<br />
Auf zur Zeitreise!<br />
Die Illusion einer Zeitreise ist allerdings nicht vollkommen,<br />
denn nicht alle Sinne werden gleichermaßen<br />
angesprochen. Die Straßen in den Städten waren<br />
damals noch durch zahlreiche Pferde (nicht nur<br />
die der <strong>Straßenbahn</strong>) geprägt. Die dadurch entstandenen<br />
Verunreinigungen und Gerüche können heute<br />
nicht nachvollzogen werden, was wohl auch besser<br />
ist. Was allenfalls indirekt darstellbar ist, sind<br />
Bildung, Wissen und Denken der Menschen zur damaligen<br />
Zeit. Und was natürlich am deutlichsten ist:<br />
Obwohl Besucher in historischer Kleidung ermäßigten<br />
Eintritt erhalten, laufen dennoch viele Besucher<br />
in heutiger Kleidung herum und benehmen sich auch<br />
sehr „heutig“, wodurch es mitunter zu ungewollt<br />
komischen Begegnungen kommt.<br />
Diese Aktionstage sind nicht nur ein attraktives<br />
Besucherspektakel und damit eine Attraktion des<br />
etwas abseits größerer Städte liegenden Museums,<br />
sondern auch ein Beitrag zur „lebenslangen<br />
Bildung“. Diese wird in Großbritannien staatlich<br />
gefördert, auch durch finanzielle Zuschüsse. Also:<br />
Auf zur nächsten Zeitreise!<br />
Die Stallburschen demonstrieren für den Erhalt „ihrer“ Pferdebahn, wie wir heute wissen –<br />
ohne Erfolg. Die Besucher des <strong>Straßenbahn</strong>museums klatschen trotzdem Beifall<br />
<strong>STRASSENBAHN</strong> <strong>MAGAZIN</strong> 7 | 2014<br />
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