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SFB 600 - Fremdheit und Armut - Universität Trier

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12<br />

Die diskurstheoretische Begründung deliberativer Demokratiemodelle führt<br />

die demokratische Legitimität <strong>und</strong> die Rationalität von Beratungsergebnissen<br />

zurück auf die allgemeine Akzeptabilität der für sie angeführten Gründe. Daraus<br />

folgt zwar nicht, dass jeder Bürger individuell an den Beratungsprozessen teilnehmen<br />

<strong>und</strong> zu den angeführten Gründen Stellung nehmen müsste. Unabdingbare<br />

Legitimitätsbedingung eines deliberativen demokratischen Prozesses ist jedoch<br />

die Inklusion aller relevanten Interessen, Meinungen <strong>und</strong> Deutungsperspektiven.<br />

18 Habermas unterscheidet den Kreis der zu inkludierenden Interessen<br />

<strong>und</strong> Perspektiven <strong>und</strong> damit den Standard der Verallgemeinerungsfähigkeit<br />

der Entscheidungen je nachdem, ob es um verfahrensregulierte Verhandlungen,<br />

pragmatische, ethisch-politische oder moralische Diskurse geht. 19 Generell jedoch<br />

kann der diskurstheoretische Anspruch einer Einheit von demokratischer<br />

Willensbildung <strong>und</strong> öffentlichem Vernunftgebrauch nur durch die möglichst<br />

breite <strong>und</strong> möglichst gleichmäßige Einbeziehung der Interessen <strong>und</strong> Perspektiven<br />

aller vom jeweiligen Diskurstyp Betroffenen eingelöst werden. Dies gilt insbesondere<br />

für gesellschaftlich marginalisierte Gruppen. Wo die Betroffenen aus<br />

technischen oder Praktikabilitätsgründen nicht selbst teilnehmen können, sollen<br />

Diskurse deshalb repräsentativ oder advokatorisch geführt werden. 20<br />

Die Konzentration der Diskurstheorie auf Argumentationen impliziert dabei<br />

jedoch a) eine inhaltliche Neubestimmung des Repräsentationsprinzips, b) eine<br />

Verschiebung der Legitimitätskriterien demokratischer Entscheidungen sowie c)<br />

eine Abwertung der Handlungs- zugunsten der Erkenntnisdimension demokratischer<br />

Willensbildung.<br />

Ad a) Aufgr<strong>und</strong> des Vernunftanspruches an den demokratischen Prozess verändert<br />

sich der Sinn des Repräsentationsprinzips. Bereits für Verhandlungen,<br />

soweit dabei Argumentationen ins Spiel kommen, erst recht aber für ethischpolitische<br />

<strong>und</strong> moralische Diskurse bezieht Habermas das Repräsentationsprinzip<br />

nicht auf die Delegation der Willensmacht der Repräsentierten an die Repräsentanten,<br />

sondern auf die Argumentationspraxis des Diskurses. Die Auswahl der<br />

18<br />

19<br />

20<br />

Vgl. etwa Habermas 1992: 222-226 oder prägnant zusammengefasst bei Williams: „To sustain<br />

the claim to legitimacy... the processes of deliberative democracy must include all relevant<br />

social and political perspectives“ (Williams 2000: 125).<br />

Vgl. etwa Habermas 1992: 196-207. Dazu ausführlicher hier unter Teil 5.<br />

Ethisch-politische Diskurse werden repräsentativ geführt <strong>und</strong> sollen dabei „durchlässig,<br />

sensibel <strong>und</strong> aufnahmefähig“ gegenüber dem gesamtgesellschaftlichen Kommunikationskreislauf<br />

bleiben. Moralische Diskurse, in denen jeder Teilnehmer die Perspektive aller übrigen<br />

einnehmen muss, werden in der Regel advokatorisch geführt (Vgl. Habermas 1992:<br />

224). Zur Differenzierung zwischen moralischen <strong>und</strong> ethisch- politischen Diskursen s. Teil<br />

5.

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