SFB 600 - Fremdheit und Armut - Universität Trier
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dort, wo es nicht um verallgemeinerungsfähige moralische Fragen geht, an das<br />
Diskursprinzip zurückgeb<strong>und</strong>en werden kann. Im Ergebnis wird das Diskursprinzip<br />
dabei so ausgeweitet, dass es nicht mehr als Legitimitätstests für gesellschaftliche<br />
Normen im Rahmen einer negativ bleibenden Kritischen Theorie fungiert,<br />
sondern stattdessen zum Baustoff einer affirmativen Rekonstruktion des demokratischen<br />
Rechtsstaates wird.<br />
5. Die verschiedenen Gestalten des Diskursprinzips in der politischen<br />
Willensbildung<br />
In seiner allgemeinen Formulierung bezieht Habermas das Diskursprinzip auf<br />
Handlungsnormen überhaupt. Es lautet dann:<br />
„D: Gültig sind genau die Handlungsnormen, denen alle möglicherweise<br />
Betroffenen als Teilnehmer an rationalen Diskursen zustimmen könnten“<br />
(Habermas 1992: 138).<br />
Ein solches, von Habermas „sparsam“ genanntes Diskursprinzip soll der Verzweigung<br />
von Handlungsnormen in moralische <strong>und</strong> juridische Regeln vorausgehen<br />
<strong>und</strong> lediglich den Sinn postkonventioneller Begründungsformen ausdrücken<br />
(vgl. ebd.). Wichtig ist dabei zunächst, dass der Formulierung eines allgemeinen<br />
Diskursprinzips, das sowohl auf moralische als auch auf die im demokratischen<br />
Prozess beschlossenen rechtsförmigen Handlungsnormen anwendbar ist, die bereits<br />
oben thematisierte Annahme entspricht, Moral <strong>und</strong> Recht, private <strong>und</strong> öffentliche<br />
Autonomie seien gleichursprünglich. Das in demokratischen Verfahren<br />
beschlossenen positive Recht soll also nicht wie in der Kantischen Rechtslehre<br />
der Moral untergeordnet werden. 42 In beiden Sorten von Handlungsnormen, den<br />
moralischen <strong>und</strong> den rechtlichen, soll der Autonomiebegriff eine jeweils spezifische<br />
Gestalt annehmen: als Moralprinzip <strong>und</strong> als Demokratieprinzip. Nach Habermas<br />
kann zwar eine Rechtsordnung nur legitim sein, wenn sie moralischen<br />
Gr<strong>und</strong>sätzen nicht widerspricht. Dennoch wäre es falsch, die Moral dem Recht<br />
hierarchisch überzuordnen. Rechtsnormen liegen nicht auf derselben Abstraktionsebene<br />
wie Moralnormen, lassen sich aber auch nicht aus diesen ableiten. Autonome<br />
Moral <strong>und</strong> das auf Begründung angewiesene positive Recht stehen vielmehr<br />
in einem Ergänzungsverhältnis. Ins Recht finden „Ziele <strong>und</strong> Wertorientierungen,<br />
Bedürfnisse <strong>und</strong> Präferenzen Eingang, gegen die sich die Moral sperrt“<br />
42<br />
Vgl. Habermas 1992: 111f.