05.07.2014 Aufrufe

SFB 600 - Fremdheit und Armut - Universität Trier

SFB 600 - Fremdheit und Armut - Universität Trier

SFB 600 - Fremdheit und Armut - Universität Trier

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

7<br />

regierung eines Demos durch Anwendung des Mehrheitsprinzips, sondern als<br />

öffentlicher Vernunftgebrauch. Um demokratische Entscheidungen als Verkörperung<br />

von Vernunft sehen zu können, muss Habermas mit der Vernunftkritik der<br />

früheren Kritischen Theorie brechen. In Abgrenzung zum instrumentell verengten<br />

Rationalitätsbegriff, den Horkheimer <strong>und</strong> Adorno mit Weber teilen, unterstellt<br />

er der Moderne die evolutionäre Entfaltung einer kommunikativen, auf der<br />

freiwilligen Zustimmung zu Geltungsansprüchen basierenden Vernunft. 9 Dies<br />

ermöglicht es ihm, die demokratisch-rechtsstaatlichen Institutionen westlicher<br />

Gesellschaften als Ergebnis einer solchen Evolution zu verstehen <strong>und</strong> ihren Vernunftgehalt<br />

theoretisch zu rekonstruieren. Spezifischer geht es in seinem Verständnis<br />

deliberativer Demokratie darum, die Idee der Volkssouveränität rationalistisch<br />

umzudeuten, so dass an die Stelle eines letztlich willkürlich entscheidenden<br />

gesamtgesellschaftlichen Subjektes „subjektlose Kommunikationsformen“<br />

treten, „die den Fluß der diskursiven Meinungs- <strong>und</strong> Willensbildung so regulieren,<br />

dass ihre falliblen Ergebnisse die Vermutung der Vernünftigkeit für sich haben“<br />

(Habermas 1996: 291).<br />

Habermas begründet diese Neuformulierung des Souveränitätsbegriffes durch<br />

einen intersubjektivistischen Vernunftbegriff, mit dem er bewusstseinsphilosophische<br />

Denkfiguren verabschieden will. Unter den Prämissen der Bewusstseinsphilosophie<br />

ließen sich nämlich Vernunft <strong>und</strong> Wille nur in einem Einzelsubjekt<br />

zusammenführen. Dies habe zur Folge, die Selbstbestimmungspraxis der Bürger<br />

entweder einem übermächtigen gesamtgesellschaftlichen Großsubjekt, dem Volk<br />

oder der Nation zuzuschreiben, oder aber sie in die blinde Resultante der Entscheidungen<br />

konkurrierender Einzelsubjekte aufzulösen. 10 Demgegenüber soll<br />

die „höherstufige Intersubjektivität von Verständigungsprozessen“ in Körperschaften<br />

<strong>und</strong> öffentlichen Foren eine kommunikativ erzeugte Macht hervorbringen,<br />

die durch Gesetzgebung in administrative Macht umgeformt wird. 11 Die<br />

Volkssouveränität verdichte sich „nicht mehr in einem Kollektiv, nicht mehr in<br />

der physisch greifbaren Präsenz der vereinigten Bürger oder ihrer versammelten<br />

Repräsentanten“, sondern sie komme in der „Zirkulation vernünftig strukturierter<br />

Beratungen <strong>und</strong> Entscheidungen“ zur Geltung (Habermas 1992: 170). Habermas<br />

spricht darauf bezogen auch von einem prozeduralistischen, in Abgrenzung zu<br />

einem substantialistischen Verständnis von Volksouveränität. Das zweite beziehe<br />

Freiheit wesentlich auf die „äußere Unabhängigkeit der Existenz eines Volkes“,<br />

9<br />

10<br />

11<br />

Vgl. dazu Habermas 1981, insbes. Band 1.<br />

Vgl. dazu Habermas 1992: 133f <strong>und</strong> 362.<br />

Vgl. dazu Habermas 1992: 362 f.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!