SFB 600 - Fremdheit und Armut - Universität Trier
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dung an eine kollektiv handlungsfähige Bürgerschaft überwinden <strong>und</strong> die Vorstellung<br />
eines sich selbst bestimmenden gesamtgesellschaftlichen Subjekts durch<br />
das Ideal einer prinzipiell unabschließbaren Meinungs- <strong>und</strong> Willensbildung in<br />
einer dezentrierten Gesellschaft ersetzen. 6 Die Volkssouveränität verflüssigt sich<br />
<strong>und</strong> „zieht sich in die gleichsam subjektlosen Kommunikationskreisläufe von<br />
Foren <strong>und</strong> Körperschaften zurück“ (Habermas 1992: 170). Durch die diskurstheoretische<br />
Begründung der Prinzipien <strong>und</strong> Verfahren der Deliberation gewinnen<br />
ihre Ergebnisse im Gegensatz zur ersten Position einen epistemischen Anspruch<br />
analog zu dem auf propositionale Wahrheit <strong>und</strong> normative Richtigkeit.<br />
Im Folgenden werde ich mich mit der diskurstheoretischen Begründung deliberativer<br />
Demokratie durch Jürgen Habermas beschäftigen, <strong>und</strong> zwar nicht nur,<br />
weil sie die internationalen Debatten über eine deliberative Umdeutung der Demokratie<br />
dominiert. Inhaltlich begründet sich diese Konzentration auf Habermas<br />
damit, dass gerade sein kognitivistisches Verständnis von Deliberation, also die<br />
Orientierung politischer Willensbildung am Ideal intersubjektiver wissenschaftlicher<br />
Erkenntnisprozesse, höchste Inklusionsansprüche erhebt. Zugleich löst sie<br />
die Kriterien für die Inklusivität <strong>und</strong> die demokratische Qualität von Beratungen<br />
weitgehend von den konkreten Beziehungen <strong>und</strong> Handlungsstrukturen zwischen<br />
Repräsentanten <strong>und</strong> Repräsentierten <strong>und</strong> verlagert sie auf die Qualität der Beratungen.<br />
Genau in dieser Verlagerung aber liegt ein neuer Exklusionsmechanismus<br />
deliberativer Demokratietheorien.<br />
Um dies zu zeigen werde ich zunächst in groben Zügen auf ihre diskurstheoretische<br />
Begründung eingehen (2.), das Verhältnis von Inklusion <strong>und</strong> Repräsentation<br />
diskutieren (3.) sowie den Wahrheits- <strong>und</strong> Rationalitätsanspruch praktischer<br />
Diskurse darstellen (4.). Im Anschluss daran thematisiere ich dann die Ausdifferenzierung,<br />
<strong>und</strong>, wenn man so will, „Politisierung“ der Diskurstheorie in Habermas’<br />
Theorie des demokratischen Rechtsstaates (5.). Im Mittelpunkt steht dabei<br />
die Frage, ob sein Abrücken von einer unmittelbaren Anwendung der Diskursethik<br />
auf demokratische Politik eine adäquate Konzeptualisierung von Pluralität<br />
<strong>und</strong> Handlungskontingenz ermöglicht. Die negative Antwort auf diese Frage (6.<br />
<strong>und</strong> 7.) wird dann mit Habermas’ Festhalten an einem reflexionsmoralischen Autonomieprinzip<br />
<strong>und</strong> dem damit einhergehenden Verständnis von Repräsentation<br />
als Einheitsrepräsentation erklärt (8.). Schließlich werde ich zeigen, dass der<br />
Versuch, die seit der amerikanischen Verfassungsdiskussion im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
im Mittelpunkt des Selbstverständnisses westlicher Demokratien stehende Pluralisierung<br />
der Volkssouveränität durch ihre Prozeduralisierung im vernünftigen<br />
6<br />
Vgl. dazu etwa Habermas 1992: 361f <strong>und</strong> 1996: 287f.