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SFB 600 - Fremdheit und Armut - Universität Trier

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27<br />

Tendenz weitet sich der Kreis der Betroffenen, deren zwanglose Zustimmung<br />

erforderlich ist, von den Verhandlungen über pragmatische <strong>und</strong> ethisch- politische<br />

Diskurse bis zum Universalisierungsgr<strong>und</strong>satz des vollständig dekontextualisierten<br />

moralischen Diskurses immer mehr. Für weite Bereiche der politischen<br />

Meinungs- <strong>und</strong> Willensbildung verlangt das Diskursprinzip demnach nicht eine<br />

Anwendung des Universalisierungsgr<strong>und</strong>satzes, sondern lediglich einen Verallgemeinerungstest<br />

in den vom jeweiligen Diskurstyp <strong>und</strong> seinem Betroffenenkreis<br />

gezogenen Grenzen. Allerdings wird dieser, gewissermaßen politisierende Gewinn<br />

der gesamten Operation sofort wieder relativiert, indem Habermas fordert,<br />

die Ergebnisse ethisch-politischer Diskurse müssten mit moralischen Gr<strong>und</strong>sätzen<br />

kompatibel sein <strong>und</strong> die Verfahren von Verhandlungen durch moralische<br />

Diskurse gerechtfertigt werden. 50 Die Rationalität der verschiedenen politisch<br />

relevanten Diskursarten bleibt damit ebenso wie die von Verhandlungen rückgeb<strong>und</strong>en<br />

an die Rationalität moralischer Diskurse. Erinnern wir uns an das eigentliche<br />

Vorhaben von Habermas, nämlich ausgehend von der Formulierung eines<br />

allgemeinen Diskursprinzips zu zeigen, dass positives Recht <strong>und</strong> Moral gleich<br />

ursprünglich sind <strong>und</strong> „das Demokratieprinzip eigene, vom Moralprinzip unabhängige<br />

Wurzeln hat“ (Habermas 1994: 664), so stellt sich die Frage, ob dieses<br />

Vorhaben nicht bereits hier gescheitert ist <strong>und</strong> es doch dabei bleibt, die Moral<br />

dem rechtsetzenden demokratischen Prozess vorzuordnen. Denn es ist doch weiter<br />

so, „dass der moralische Diskurs den Fluchtpunkt bildet, vor dessen Hintergr<strong>und</strong><br />

sich die rationale Bonität von Handlungsnormen überhaupt <strong>und</strong> damit auch<br />

rechtlicher Normen beurteilen lässt“ (Blanke 1994: 453).<br />

Zweitens soll in Prozessen der Rechtsetzung, da sich hier ja die Entscheidung<br />

über Normen für kollektive Zwecksetzungen öffnet, das „volitive Element der<br />

Entscheidung gegenüber dem kognitiven der Urteils- <strong>und</strong> Meinungsbildung“<br />

stärker ins Gewicht fallen als im moralischen Diskurs (Habermas 1996a: 352).<br />

Dies gelte umso mehr,<br />

a) je kontextabhängiger die nicht-moralischen Gründe sind <strong>und</strong> je größer die<br />

„Kontingenz der Lebensform, der Ziele <strong>und</strong> Interessenlagen, die vorgängig die<br />

Identität des sich selbst bestimmenden Willens festlegen“ (Habermas 1992: 195)<br />

<strong>und</strong><br />

b) je stärker „eine Gesellschaft die Verfolgung kollektiver Ziele im Staat konzentriert“<br />

(ebd.: 189).<br />

Den zweiten Punkt, der das Verhältnis von Staat <strong>und</strong> Gesellschaft bzw. von<br />

Politik <strong>und</strong> Ökonomie berührt, möchte ich hier zurückstellen. Festzuhalten bleibt<br />

50<br />

Vgl. dazu Habermas 1992: 206.

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