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SFB 600 - Fremdheit und Armut - Universität Trier

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2<br />

Rationalität <strong>und</strong> Repräsentation in der deliberativen Demokratietheorie<br />

von Jürgen Habermas<br />

von Winfried Thaa<br />

1. Selbstverständnis <strong>und</strong> normativer Anspruch der deliberativen<br />

Demokratietheorien<br />

Der Begriff der deliberativen Demokratie ist zwar neu, Deliberation oder öffentliche<br />

Beratung bildete jedoch immer schon ein wichtiges Moment der Demokratie.<br />

Dies gilt bereits für die Versammlungsdemokratie der griechischen Polis, in<br />

der nach Aristoteles der Bürgerstatus durch den Zutritt zur Teilnahme an der<br />

beratenden Staatsgewalt definiert war (Aristoteles 1275b5-20). Es gilt in anderer<br />

Weise aber auch für die Demokratien der Neuzeit, deren Theoretiker das Repräsentationsprinzip,<br />

ihre bedeutendste Innovation gegenüber der Antike, nicht zuletzt<br />

mit der Läuterung <strong>und</strong> Verallgemeinerung der unreflektierten Meinungen<br />

<strong>und</strong> Interessen des Volkes in den Beratungen freier, nicht an Weisungen geb<strong>und</strong>ener<br />

Abgeordneter rechtfertigen. 1 Dennoch bildete sich ein eigenes deliberatives<br />

Verständnis von Demokratie, das seine Vertreter sowohl gegenüber liberalen <strong>und</strong><br />

republikanischen als auch gegenüber elitären <strong>und</strong> direkt-partizipatorischen Demokratiekonzeptionen<br />

abgrenzen, erst vor weniger als zwei Jahrzehnten heraus.<br />

Gemeinsam verstehen die verschiedenen deliberativen Demokratietheorien<br />

unter Deliberation zunächst einmal die öffentliche, möglichst alle Betroffenen<br />

einschließende Beratung über Streitfragen <strong>und</strong> gemeinsame Probleme. 2 In Abgrenzung<br />

zu anderen Demokratietheorien wird der Kern der demokratischen Legitimation<br />

von Entscheidungen nicht in der Aggregation von Interessen oder dem<br />

Willen eines Kollektivsubjektes, sondern in ihrer Rückführung auf eine alle inkludierende,<br />

argumentativ geführte Beratung gesehen. Bernard Manin formuliert<br />

kurz <strong>und</strong> knapp:<br />

1<br />

2<br />

Vgl. etwa Federalist No.10 <strong>und</strong> No. 71, in: Hamilton/Madison/Jay 2000.<br />

Eine einfache Definition findet sich bei Cohen 1989: „By a deliberative democracy I shall<br />

mean, roughly, an association whose affairs are governed by the public deliberation of its<br />

members.” (Cohen 1989: 17).

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