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SFB 600 - Fremdheit und Armut - Universität Trier

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eines Kollektivs, das sich einer authentischen Lebensweise vergewissern will“<br />

(Habermas 1992: 201). Es sind also Selbstverständigungsdiskurse, die auf Wertorientierungen<br />

einer partikularen Gemeinschaft zurückgreifen, um die Frage<br />

„was wir eigentlich wollen“ (ebd.: 199) zu beantworten. Deshalb sollen sich in<br />

ethischen Diskursen Vernunft <strong>und</strong> Willen gegenseitig bestimmen (ebd.: 202;<br />

1991: 112). Ethisch politische Diskurse werden aus technischen Gründen repräsentativ<br />

geführt, müssen aber „durchlässig, sensibel <strong>und</strong> aufnahmefähig bleiben“<br />

für eine basisnahe, pluralistische Öffentlichkeit (Habermas 1992: 224). Als Beispiele<br />

dieses Diskurstyps nennt Habermas ökologische Fragen, Fragen der Immigrationspolitik,<br />

des Minderheitenschutzes <strong>und</strong> allgemein der politischen Kultur<br />

(Habermas 1992: 204). Eine Abkoppelung vom Verallgemeinerungsgr<strong>und</strong>satz<br />

des Moralprinzip findet in ethisch-politischen Diskursen allerdings nicht statt,<br />

denn ihre Ergebnisse „müssen mit moralischen Gr<strong>und</strong>sätzen wenigstens kompatibel<br />

sein“ (Habermas 1992: 206).<br />

Der moralisch-praktische Diskurs erfordert demgegenüber die Distanzierung<br />

von kollektiven Identitäten sowie kontingent bestehenden normativen Kontexten<br />

<strong>und</strong> das Heraustreten aus jeder partikularen Sittlichkeit. Er bezieht sich auf<br />

Handlungsnormen, die allein unter dem Gesichtspunkt gleichmäßiger Interessenberücksichtigung<br />

gerechtfertigt werden können. In ihm tritt der teleologische<br />

ganz hinter dem normativen Gesichtspunkt zurück. Argumente in moralischen<br />

Diskursen prüfen, ob die in Gerechtigkeitsnormen verkörperten Interessen<br />

„schlechthin verallgemeinerungsfähig“ sind (Habermas 1992: 200). Es gilt hier<br />

der oben bereits erwähnte Universalisierungsgr<strong>und</strong>satz, der von einer Norm erfordert,<br />

„dass die voraussichtlichen Folgen <strong>und</strong> Nebenwirkungen, die sich aus<br />

ihrer allgemeinen Befolgung für die Befriedigung der Interessen eines jeden voraussichtlich<br />

ergeben, von allen Betroffenen zwanglos akzeptiert (<strong>und</strong> den Auswirkungen<br />

der bekannten alternativen Regelungsmöglichkeiten vorgezogen)<br />

werden können“ (Habermas 1991: 134). Teilnehmer eines moralischen Diskurses<br />

müssen also die partikulare Perspektive bestimmter Kollektive erweitern zugunsten<br />

der „umfassenden Perspektive einer entschränkten Kommunikationsgemeinschaft,<br />

deren Mitglieder sich alle in die Situation <strong>und</strong> das Weltverständnis eines<br />

jeden hineinversetzen“ (Habermas 1992: 200). Moralische Argumentationen setzen<br />

eine freie Verständigungspraxis voraus, in der „einzig die rational motivierende<br />

Kraft des besseren Arguments zum Zuge“ kommt (ebd.: 224). Von hier aus<br />

erklärt sich, weshalb moralische Begründungsdiskurse in der Regel advokatorisch<br />

durchgeführt werden. Als Beispiele für Gegenstände eines moralischen<br />

Diskurses nennt Habermas u.a. strafrechtliche Fragen oder Fragen der Sozialpoli-

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