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SFB 600 - Fremdheit und Armut - Universität Trier

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Verfahren normative Maßstäbe anzulegen, die im Idealfall der Repräsentativdemokratie<br />

auf der Basis von Volkssouveränität wurzeln. ...Es ist unter<br />

solchen Bedingungen kaum möglich, repräsentativ ein Gemeinwohl zu ermitteln,<br />

das auch die Schwächeren nicht zu kurz kommen lässt. Politische<br />

Entscheidungsfindung ist in diesem Fall kein Prozess, der das Gemeinwohl<br />

sucht ..., sondern ein Prozess des fortlaufenden Durchspielens von Vorschlägen,<br />

die eine Reihe von Hürden überspringen müssen, um am Ende in<br />

der Regel mit einer Vielzahl von Korrekturen versehen durchzukommen<br />

oder doch zu scheitern. Das Kriterium „demokratischer“ Qualität ist hier die<br />

Zahl von checks oder unterschiedlichsten Prüfungsinstanzen, die ein Vorschlag<br />

durchlaufen muss, bis er ans Ziel gelangt <strong>und</strong> kollektiv verbindlich<br />

wird“ (Münch 2003: 126).<br />

Die Selbstregierung der Bürger, ihre Wahrnehmung öffentlicher Autonomie, die<br />

noch den Ausgangspunkt der deliberativen Demokratietheorie bildete, ist hier<br />

zusammengeschrumpft auf die Chance, in die eine oder andere Teilöffentlichkeit<br />

sachbezogene Verbesserungsvorschläge einzubringen. Eine Chance, die ungeachtet<br />

der theoretisch formulierten Inklusionsforderungen zudem nach Kompetenzen<br />

<strong>und</strong> Ressourcen extrem ungleich verteilt sein dürfte.<br />

Zweitens drohen Beratungen um so eher technokratische Züge anzunehmen,<br />

je mehr sie sich von der ethischen Selbstverständigung einer bestimmten Gemeinschaft<br />

entfernen <strong>und</strong> lediglich durch ein von wem auch immer definiertes –<br />

Problem konstituiert sind. Schmalz-Bruns hält es für einen Vorzug seiner Version<br />

deliberativer Demokratie, dass sie eine Vorstellung von Öffentlichkeit enthalte,<br />

die „kein über geteilte Werte vermitteltes Kollektiv oder eine Gemeinschaft“<br />

voraussetze, sondern „sich unmittelbar auf die kooperativen Anstrengungen all<br />

derjenigen (beziehe), die über gemeinsame Probleme <strong>und</strong> die Folgen von Handlungen<br />

miteinander verb<strong>und</strong>en sind“ (Schmalz-Bruns 2002: 277). Abgesehen<br />

davon, dass eine von allen lebensweltlichen Bezügen befreite, nur durch problemlösende<br />

Zusammenarbeit bestimmte Deliberation ebenso ein Ding der Unmöglichkeit<br />

ist wie die machtfreie Definition des Problems selbst, hat das Ideal<br />

einer von Wert- <strong>und</strong> Gemeinschaftsbezügen befreiten Beratung erhebliche Konsequenzen.<br />

Es impliziert, die noch von Habermas erhoffte „Programmierung“ des<br />

politischen Systems durch lebensweltlich generierte Sinnkriterien aufzugeben, da<br />

sich funktional <strong>und</strong> sektoral spezialisierte, problemorientierte Teilöffentlichkeiten<br />

ja gerade durch ihre Lösung aus den lebensweltlichen Horizonten spezifischer<br />

Gemeinschaften auszeichnen. Der bereits oben gegen Habermas vorgetragene<br />

Einwand, der Rationalitätsanspruch seines deliberativen Demokratiemodells<br />

begünstige funktionale <strong>und</strong> ökonomische Rationalität gegenüber narrativ auszu-

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