SFB 600 - Fremdheit und Armut - Universität Trier
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erscheinen. 81 Tatsächlich besteht Habermas auch bis heute darauf, die politischrechtliche<br />
Regulierung der gesellschaftlichen Subsysteme an die alltagssprachliche,<br />
lebensweltlich verankerte Meinungs- <strong>und</strong> Willensbildung eines Laienpublikums<br />
zurückzubinden. 82 Welch geringer Modifikationen es bedarf, um ausgehend<br />
von einer epistemischen Bestimmung von Deliberationsprozessen schließlich<br />
bei der demokratischen Legitimation von Expertenkommissionen zu landen,<br />
lässt sich jedoch unschwer an den an Habermas anschließenden Weiterentwicklungen<br />
der deliberativen Demokratietheorie illustrieren. Exemplarisch möchte<br />
ich hier auf Rainer Schmalz-Bruns eingehen. Er ist in diesem Zusammenhang<br />
besonders aufschlussreich, weil er in seiner Weiterentwicklung der deliberativen<br />
Demokratietheorie sowohl das partizipatorische wie auch das epistemische Moment<br />
der Habermasschen Konzeption verstärken möchte. Erreichen will er dies<br />
durch eine Vervielfältigung deliberativer Prozesse <strong>und</strong> ihre Lösung von den<br />
Kerninstitutionen der repräsentativen Demokratie. 83<br />
Schmalz-Bruns kritisiert an Habermas’ Modell einer zweigleisig verlaufenden<br />
deliberativen Politik das Übergewicht der staatlichen Institutionen im Zentrum<br />
des politischen Systems gegenüber den zivilgesellschaftlichen Foren <strong>und</strong> Arenen<br />
der informellen Meinungs- <strong>und</strong> Willensbildung an der Peripherie. Habermas habe<br />
zwar den Dualismus zwischen System <strong>und</strong> Lebenswelt, der noch seine „Theorie<br />
des kommunikativen Handelns“ präge <strong>und</strong> Politik im engeren Sinn nur noch<br />
als mediengesteuertes Teilsystem unterstelle, in „Faktizität <strong>und</strong> Geltung“ zugunsten<br />
einer institutionellen Betrachtungsweise aufgegeben, aus der heraus er die<br />
kommunikative <strong>und</strong> administrative Macht im demokratischen Rechtsstaat verschränke.<br />
Das von Petersen übernommene Schleusenmodell deliberativer Demokratie<br />
stilisiere den Staat jedoch zum einzig möglichen kollektiven Akteur <strong>und</strong><br />
reduziere die Selbstregierung der Bürger auf episodische Politisierungsschübe<br />
<strong>und</strong> die Einspeisung von Problembewusstsein in die institutionellen Bahnen der<br />
liberalen repräsentativen Demokratie.<br />
Demgegenüber identifiziert Schmalz-Bruns im modularen Aufbau des politi-<br />
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So ist eine der gr<strong>und</strong>legenden theoretischen Weichenstellung im Werk von Habermas die<br />
Unterscheidung von Arbeit <strong>und</strong> Interaktion, von technischer <strong>und</strong> kommunikativer Rationalität<br />
<strong>und</strong> das Anliegen seines theoretischen Werkes insgesamt, wie er schon 1968 formuliert,<br />
die Entfaltung wissenschaftlich-technischer Rationalität der „uneingeschränkten Kommunikation<br />
über Ziele der Lebenspraxis“ <strong>und</strong> der Wahl dessen, was wir wollen können, zu unterstellen<br />
(Habermas 1968: 99).<br />
Vgl. dazu etwa Habermas 1992: 428f., 435f.<br />
Ähnliche Orientierungen auf gesellschaftliche, horizontale, problemorientierte <strong>und</strong> nicht an<br />
repräsentative staatliche Institutionen geb<strong>und</strong>ene Partizipationsformen finden sich in unterschiedlichen<br />
Versionen etwa auch bei Joerges/Neyer 1998, Warren 2002, Grote/Glibki<br />
2003, Schmitter 2003 <strong>und</strong> Pettit 2003.