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SFB 600 - Fremdheit und Armut - Universität Trier

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42<br />

schen Systems, in der sich über viele Ebenen erstreckenden Stufung von Entscheidungsprozessen,<br />

vielfältige Ansatzpunkte für eine breite <strong>und</strong> kompetente<br />

Beteiligung, die Habermas übersehe. An diese Beteiligungsmöglichkeiten knüpft<br />

er die Perspektive einer weiteren Vergesellschaftung des Staates sowie einer vom<br />

staatlichen Institutionensystem ablösbaren Reflexivität politischer Prozesse,<br />

durch die sich die Erweiterung demokratischer Partizipation mit der rationalisierenden<br />

Wirkung einer problem- <strong>und</strong> ergebnisbezogenen Politik verbinden lasse. 84<br />

Konkret kann man sich hier eine breite Palette verschiedenster Mitwirkungsmöglichkeiten<br />

vorstellen, die Transparenzregeln, Expertenkommissionen, aber auch<br />

Informations- <strong>und</strong> Anhörungsrechte für Betroffene umfasst. Eine Vielzahl funktional<br />

spezialisierter <strong>und</strong> netzwerkartig integrierter Teilöffentlichkeiten soll dann<br />

bessere Partizipationsmöglichkeiten bieten als die <strong>und</strong>ifferenzierte <strong>und</strong> medialer<br />

Kolonialisierung ausgesetzte allgemeine Öffentlichkeit. Die exakte Bestimmung<br />

von Entscheidungsbefugnissen für diese anvisierte Vielzahl von deliberierenden<br />

Teilöffentlichkeiten kann dabei in dem Maße in den Hintergr<strong>und</strong> treten, wie die<br />

politische Willensbildung als kognitiver Prozess <strong>und</strong> nicht als Entscheidung zwischen<br />

kontingenten <strong>und</strong> konflikthaften Handlungsalternativen gilt. Der positive<br />

Zusammenhang zwischen der epistemischen Qualität von politischen Entscheidungen<br />

<strong>und</strong> ihrer Informalisierung, den wir bei Habermas bereits in Form einer<br />

„Gewichtsverschiebung“ von den Institutionen der parlamentarischen Demokratie<br />

zu den informellen Arenen <strong>und</strong> Foren gesellschaftlicher Willensbildung kennen<br />

gelernt haben, wird nun einen großen Schritt weiter getrieben zur Vergesellschaftung<br />

der Politik in problemorientierten Beratungen zwischen Regierungsvertretern,<br />

Experten <strong>und</strong> Betroffenen.<br />

Die Legitimität von Beschlüssen löst sich damit weiter aus der Rückbindung<br />

an ein Entscheidungshandeln des Souveräns, der Bürger bzw. ihrer Repräsentanten,<br />

<strong>und</strong> wird zu einer Sache des Reflexivitäts- <strong>und</strong> Rationalitätsniveaus der Beratungen.<br />

Von einer solchen Modifikation der Demokratie verspricht sich<br />

Schmalz-Bruns zweierlei: eine Verwirklichung der Idee demokratischer Selbstbestimmung<br />

in den Partizipationsmöglichkeiten der vielfältigen Beratungsprozesse<br />

<strong>und</strong> zugleich die Überwindung nationalstaatlicher Grenzen, die der Selbstregierung<br />

eines wie auch immer bestimmten Demos gesetzt bleiben. 85 Hier sind<br />

also ganz offensichtlich zwei traditionelle Ziele linker Gesellschaftskritik aufgegriffen:<br />

die Überwindung des Nationalstaates <strong>und</strong> die Rücknahme der Politik in<br />

die Gesellschaft.<br />

84<br />

85<br />

Vgl. dazu Schmalz-Bruns 1995, insbes. S. 102-120.<br />

Vgl. Schmalz-Bruns 2002: 278.

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