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SFB 600 - Fremdheit und Armut - Universität Trier

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36<br />

Teilnahme aller Angehörigen in einer breiteren pluralistischen, basisnahen <strong>und</strong><br />

„machtverdünnten“ Öffentlichkeit durchlässig bleiben. 69 Auf diese Weise glaubt<br />

Habermas, dem Repräsentationsprinzip einen neuen Sinn zu geben <strong>und</strong> die alte<br />

Debatte über die Problematik des Handelns im Namen anderer, das Machtgefälle<br />

zwischen Repräsentanten <strong>und</strong> Repräsentierten <strong>und</strong> insbesondere über das Verhältnis<br />

von Delegation <strong>und</strong> Treuhänderschaft („trustee“) im Repräsentationsprinzip<br />

vermeiden zu können. 70 An die Stelle der asymmetrischen Beziehung zwischen<br />

Repräsentanten <strong>und</strong> Repräsentierten <strong>und</strong> der für ihren Handlungsaspekt<br />

konstitutiven Momente von Beauftragung, Zurechenbarkeit <strong>und</strong> Verantwortung<br />

tritt der Vernunftanspruch der Deliberation. Während die amerikanischen Verfassungsväter<br />

den Gefahren der Einheitsverkörperung im Konzept der demokratischen<br />

Selbstregierung die Pluralisierung der Volkssouveränität in einem System<br />

der „checks and balances“ entgegenstellen, setzt Habermas auf deren Verflüssigung<br />

in der prozeduralisierten Vernunft des Diskurses. Damit scheint er den Gefahren<br />

der Einheitsverkörperung einer substantialistisch verstandenen Volkssouveränität<br />

entkommen <strong>und</strong> gleichzeitig an der umfassenden Inklusion <strong>und</strong> Partizipation<br />

der Bürger festhalten zu können.<br />

Die Problematik dieser Lösung wird jedoch deutlich, wenn wir noch einmal<br />

kurz auf das Repräsentationsprinzip des „Federalist“ zurückkommen. Die amerikanischen<br />

Verfassungsväter begegnen der Vorstellung einer organischen Totalität<br />

im Konzept demokratischer Selbstregierung durch die Anerkennung <strong>und</strong> Institutionalisierung<br />

unaufhebbarer Differenz. Wichtig ist, dass sie dabei nicht nur die<br />

empirische Pluralität der Interessen anerkannten, sondern darüber hinaus die<br />

Vernünftigkeit unaufhebbarer Meinungsverschiedenheiten. Einmütigkeit ist nach<br />

Madison nur von politisch gefährlichen, gemeinsamen Leidenschaften zu erwarten,<br />

der freie Gebrauch der Vernunft aber führe unweigerlich zu verschiedenen<br />

Meinungen. 71 Aus dieser Überlegung folgt eine gr<strong>und</strong>sätzliche Legitimierung des<br />

Konflikts <strong>und</strong> der politischen Opposition. Darüber hinaus bietet sie neben der<br />

Absicht, eine Despotie der Mehrheit zu verhindern eine weitere Begründung der<br />

Institutionalisierung der Gewaltenteilung bzw. des Systems von „checks and ba-<br />

69<br />

70<br />

71<br />

Vgl. dazu Habermas 1992: 223f.<br />

Für einen Überblick zur Diskussion um das Repräsentationsprinzip vgl. Hierath 2001.<br />

So heißt es im „Federalist“: „When men exercise their reason cooly and freely on a variety<br />

of distinct questions, they inevitably fall into different opinions on some of them. When<br />

they are governed by a common passion, their opinions, if they are so be called, will be the<br />

same” (Hamilton/Madison/Jay: No. 50, S. 334).

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