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SFB 600 - Fremdheit und Armut - Universität Trier

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23<br />

Konstellation von Vernunft <strong>und</strong> Wille unterscheiden sollen. 43<br />

In pragmatischen Diskursen geht es um praktische Probleme, die Habermas<br />

im Sinne der Weberschen Zweckrationalität bestimmt. Sie ergeben sich aus der<br />

Perspektive eines Handelnden, der für die Realisierung gegebener Zwecke zwischen<br />

verschiedenen Mitteln rational auswählen oder auf der Gr<strong>und</strong>lage feststehender<br />

Werten verschiedene Ziele gegeneinander abwägen muss. Die angestellten<br />

Überlegungen richten sich also auf geeignete Techniken, Strategien oder Programme.<br />

Entsprechend geben in pragmatischen Diskursen „Argumente den Ausschlag,<br />

die empirisches Wissen auf gegebene Präferenzen <strong>und</strong> gesetzte Zwecke<br />

beziehen <strong>und</strong> die Folgen alternativer Entscheidungen nach zugr<strong>und</strong>egelegten<br />

Maximen beurteilen“ (Habermas 1992: 198).<br />

Sofern die zugr<strong>und</strong>eliegenden Werte problematisch werden, können Interessenkonflikte<br />

auch Fragen des kollektiven Selbstverständnisses aufwerfen, die<br />

über den Horizont der Zweckrationalität hinausweisen. Damit betreten wir das<br />

Feld ethisch-politischer Diskurse, in denen es, in der Formulierung von Habermas,<br />

nicht um Fragen der Gerechtigkeit, sondern „um klinische Fragen des guten<br />

Lebens“ geht (Habermas 1991: 103).<br />

„Ethisch-politische Fragen stellen sich aus der Perspektive von Angehörigen,<br />

die sich in lebensweltlichen Fragen darüber klar werden wollen, welche<br />

Lebensform sie teilen, auf welche Ideale hin sie ihr gemeinsames Leben<br />

entwerfen sollten“ (Habermas 1992: 198).<br />

„Klinisch“ nennt Habermas, der eine Schwäche für medizinische Metaphern hat,<br />

diese Fragen <strong>und</strong> die ihnen entsprechenden Diskurse, weil sie sich auf die Rekonstruktion<br />

bewusst gemachter <strong>und</strong> zugleich kritisch angeeigneter Lebensformen<br />

stützen. 44 In ihnen spielen hermeneutische Argumente, die das Selbstverständnis<br />

einer Gemeinschaft auslegen, eine entscheidende Rolle. Diese Argumente<br />

führen zu evaluativen Urteilen über etwas, das aus der Bewertungsperspektive<br />

einer Bezugsgruppe mehr oder weniger gut oder schlecht ist. 45 Die Ergebnisse<br />

von ethisch-politischen Diskursen richten sich an „die Entschlusskraft<br />

43<br />

Vgl. dazu insbesondere Habermas 1991: 100-118 <strong>und</strong> Habermas 1992: 195-207. In einer der<br />

für ihn typischen Selbstkorrekturen kritisiert Habermas den von ihm in „Faktizität <strong>und</strong> Geltung“<br />

unternommenen Versuch, die verschiedenen Arten von Diskursen durch Zuordnung<br />

konkreter Fragen zu exemplifizieren <strong>und</strong> betont, dass es sich hier nur um eine analytische<br />

Trennung handeln kann, da politische Fragen aufgr<strong>und</strong> ihrer Komplexität gleichzeitig unter<br />

pragmatischen, ethischen <strong>und</strong> moralischen Gesichtspunkten behandelt werden müssen (vgl.<br />

dazu Habermas 1994: 667).<br />

44 Vgl. dazu Habermas 1992: 125, 199, 201; 1991: 103.<br />

45<br />

Vgl. dazu Habermas 1991: 168.

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