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SFB 600 - Fremdheit und Armut - Universität Trier

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„A legitimate decision does not represent the will of all, but is one<br />

that results from the deliberation of all“ (Manin 1987: 352). 3<br />

Ungeachtet der genaueren Bestimmung des deliberativen Prozesses gilt er zudem<br />

als Alternative zur Übertragung des Marktmodells <strong>und</strong> seiner ökonomischen<br />

Rationalität auf den Bereich demokratischer Politik. An die Stelle der Konkurrenz<br />

unter strategisch handelnden Akteuren soll eine Verständigungspraxis unter<br />

Gleichen treten. Deliberation verlangt von den Teilnehmern nicht nur die argumentative<br />

Begründung der eigenen Position, sondern auch die Berücksichtigung<br />

anderer, ihr entgegenstehender Positionen. Damit enthält sie zumindest die Möglichkeit<br />

einer zwanglosen Verständigung, wie auch immer diese genauer bestimmt<br />

sein mag. Als Konsens oder als ein begründetes Urteil der Mehrheit unterscheidet<br />

sich das Ergebnis der Deliberation gr<strong>und</strong>sätzlich von einem Kompromiss,<br />

der ja nicht auf der Zustimmung zu argumentativen Begründungen basiert,<br />

sondern lediglich einen für die Beteiligten akzeptablen Ausgleich zwischen<br />

gegensätzlich bleibenden Interessen oder Meinungen darstellt.<br />

Wie wir im einzelnen noch sehen werden, sind deliberative Theorien in mehrfacher<br />

Hinsicht normativ. Insbesondere aber enthalten sie zwei Versprechen, mit<br />

denen sie an die Tradition der Aufklärung anschließen:<br />

Zum einen beerben sie den republikanischen Anspruch auf Selbstregierung<br />

unter den spezifisch neuzeitlichen Bedingungen der Säkularisation <strong>und</strong> der politischen<br />

Gleichheit. Im deliberativen Verständnis ist Politik ein Bereich der bewussten<br />

Einwirkung der Gesellschaft auf sich selbst, in dem sich durch die Praxis<br />

öffentlicher Meinungs- <strong>und</strong> Willensbildung die kollektive Autonomie der Bürger<br />

verwirklicht. Unumstritten ist dabei, dass kollektives politisches Handeln ein<br />

Ausdruck von Selbstbestimmung sein kann, umstritten ist allerdings, wie das<br />

Spannungsverhältnis zwischen individueller <strong>und</strong> kollektiver Autonomie gelöst<br />

oder zumindest akzeptabel organisiert werden kann. Dessen ungeachtet verschieben<br />

sich mit der Verortung kollektiver Autonomie in der Praxis öffentlicher Be-<br />

3<br />

Ähnlich James Bohman: „Deliberative democracy, broadly defined, is thus any one of a<br />

family of views according to which the public deliberation of free and equal citizens is the<br />

core of legitimate political decision making and self-government“ (Bohman 1998: 401).<br />

Spezifischer <strong>und</strong> den Vernunftbegriff einschließend definiert Seyla Benhabib Demokratie<br />

„als eine Organisationsform kollektiver <strong>und</strong> öffentlicher Machtausübung in den wichtigsten<br />

Institutionen einer Gesellschaft..., <strong>und</strong> zwar auf der Gr<strong>und</strong>lage des Prinzips, dass Entscheidungen,<br />

die das Wohlergehen einer Gesellschaft betreffen, als das Ergebnis einer freien <strong>und</strong><br />

vernünftigen Abwägung unter Individuen gesehen werden können, die als moralisch <strong>und</strong><br />

politisch Gleiche betrachtet werden“ (Benhabib 1995: 4).

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