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Kantonspolizei Zürich - Staatsarchiv - Kanton Zürich

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Der Anarchist Hermann Stellmacher,<br />

der seine Verbrechen<br />

in <strong>Zürich</strong> plante und 1884<br />

in Wien hingerichtet wurde.<br />

Aktenverzeichnis der Zürcher<br />

Untersuchungsbehörden (mit<br />

Porträtaufnahme von Stellmacher)<br />

betreffend Raubmord in<br />

Wien.<br />

wehr, und müssen uns die nöthigen Massnahmen<br />

vorbehalten.»<br />

Auch der ohnehin unter deutschem Druck stehende<br />

Bundesrat war empört über das eigenmächtige<br />

Handeln des Zürcher Polizeihauptmannes in einem<br />

laufenden Strafverfahren mit derart politischen Dimensionen.<br />

Er schrieb der Zürcher Regierung, er<br />

könne nicht verhehlen, dass die Angelegenheit einen<br />

geradezu bemühenden Eindruck auf ihn mache und<br />

er das Vorgehen des Herrn Fischer aufs entschiedenste<br />

missbillige. Hauptmann Fischer bestritt seine<br />

Unbedachtsamkeit nicht. Er rechtfertigte sie durch<br />

seinen Zorn auf die deutschen Spitzel: «… es müsse<br />

der Welt gesagt werden, dass es Agenten im Dienste<br />

der deutschen Polizei seien, welche unsere arbeitende<br />

Klasse gegen die staatliche Ordnung aufwiegeln, sie<br />

irreleiten.» Während der Bundesrat Fischer die Führung<br />

der weiteren Untersuchung entzog, liess es die<br />

Zürcher Regierung bei einem Verweis bewenden. 61<br />

Noch im gleichen Jahr 1888 wies der Bundesrat,<br />

damit auch dem deutschen Druck nachgebend, die<br />

Redaktoren des «Sozialdemokraten» aus der Schweiz<br />

aus. Begründet wurde die Massnahme mit der Gefährdung<br />

der innern und der äusseren Sicherheit der<br />

Eidgenossenschaft bzw. der guten Beziehungen zu<br />

einem Nachbarstaat. Als es 1889 abermals zu einer<br />

Spitzelaffäre kam, der deutsche Polizeidirektor Wohlgemuth<br />

in Rheinfelden verhaftet und als Agent provocateur<br />

des Landes verwiesen wurde, führte dies zu<br />

weiteren schweren Spannungen mit dem Deutschen<br />

Reich. Erst nach dem Abgang Fürst Bismarcks und<br />

der Aufhebung des Sozialistengesetzes 1890 entschärfte<br />

sich die bedrohliche Situation.<br />

Anarchistischer Terrorismus<br />

Im Lauf des Jahres 1884 sei als neue Funktion die<br />

Überwachung der Anarchisten an die <strong><strong>Kanton</strong>spolizei</strong><br />

herangetreten, schrieb der Regierungsrat in seinem<br />

damaligen Rechenschaftsbericht. Es handelte sich dabei<br />

um linksradikale Extremisten, die den staatlichen<br />

und den sozialen Zwang beseitigen und an dessen<br />

Stelle die völlige Freiheit und Gleichheit, die Harmonie<br />

schlechthin unter die Menschheit bringen wollten.<br />

1881 hatten sie sich auf einem Kongress in London<br />

der sogenannten «Propaganda der Tat» verschrieben,<br />

dem Terror. Durch Mord, Raub und Brandstiftung<br />

sollte die bürgerliche Gesellschaft in Angst und Schrekken<br />

versetzt, die Arbeiterschaft zur Revolution motiviert<br />

werden. Moralisch seien alle Mittel, welche die<br />

bestehende unmoralische Gesellschaftsordnung vernichten<br />

mochten, hiess es. Ziel von Attentaten waren<br />

nicht nur Staatsoberhäupter und Polizisten, sondern<br />

unberechenbar auch Fabrikanten, Bankiers und andere<br />

Exponenten der kapitalistischen Ordnung. 62<br />

Seit dem Herbst 1883 geschahen eine ganze Reihe<br />

von anarchistischen Gewalttaten in verschiedenen<br />

deutschen und österreichischen Städten. Am 10. Januar<br />

1884 folgten ein Raubmord in Wien, dem ein Wechselagent<br />

und seine beiden Söhne zum Opfer fielen,<br />

sowie der Mord an einem Polizisten zwei Wochen später.<br />

Der Täter wurde gefasst. Signalement und Fotografie<br />

gelangten im Zug der internationalen Fahndung<br />

auch nach <strong>Zürich</strong>. Hier erkannte der städtische<br />

Polizeiinspektor Usteri im Täter den Schuhmacher<br />

Hermann Stellmacher aus Schlesien, der seinen letzten<br />

Wohnsitz bei seiner Frau in Fluntern bei <strong>Zürich</strong><br />

gehabt hatte. Die polizeilichen Ermittlungen, die in<br />

<strong>Zürich</strong> von Polizeihauptmann Bollier geführt wurden,<br />

wiesen Stellmacher weitere Morde, Raubmorde<br />

und Mordversuche nach, begangen um die Jahreswende<br />

1883/84 in Strassburg und Stuttgart. Alle diese<br />

Taten, so musste man annehmen, waren in <strong>Zürich</strong><br />

geplant worden. Weitere an diesen und an anderen<br />

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