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Kantonspolizei Zürich - Staatsarchiv - Kanton Zürich

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Attentaten beteiligte ausländische Anarchisten hatten<br />

sich ebenfalls in der Schweiz aufgehalten. Zwei von<br />

ihnen, einer war Hermann Stellmacher, wurden 1884<br />

in Wien hingerichtet. 63<br />

Das bedrohte Bundeshaus<br />

und eine Bombenaffäre auf dem <strong>Zürich</strong>berg<br />

Die Anarchistengefahr kostete die <strong><strong>Kanton</strong>spolizei</strong><br />

auch in den folgenden Jahren nicht wenige Opfer an<br />

Zeit und Kraft, wie der Regierungsrat schrieb. Das<br />

Verzeichnis von Personen im <strong>Kanton</strong> <strong>Zürich</strong>, die<br />

durch Propaganda für den Anarchismus auffielen,<br />

umfasste Ende 1884 dreissig Einträge. 65<br />

Im Januar und Februar 1895 erhielt der Bundesrat<br />

mehrere Briefe mit der Warnung, es werde das Bundeshaus<br />

in die Luft gesprengt. Im Zuge der Ermittlungen,<br />

die sich vor allem auf die Ostschweiz konzentrierten,<br />

suchte man durch Handschriftenvergleich<br />

dem Urheber der Drohbriefe auf die Spur zu kommen;<br />

auch wurde in allen Papierhandlungen nach der<br />

Herkunft des Briefpapiers und der Couverts gefahndet.<br />

Einer der Briefe war in Winterthur aufgegeben<br />

worden, weshalb Polizeihauptmann Fischer dort Hausdurchsuchungen<br />

vornahm und mehrere Personen<br />

verhaftete. Der mutmassliche Täter konnte schliesslich<br />

in St.Gallen festgenommen werden. Der Friseur<br />

Wilhelm Huft aus Opfingen bei Freiburg im Breisgau<br />

war eine wohl intelligente, aber überaus geltungssüchtige<br />

Person. Vorbereitungen, einen tatsächlichen<br />

Sprengstoffanschlag auf das Bundeshaus auszuführen,<br />

liessen sich keine feststellen. Huft, der selbst kein Anarchist<br />

war, aber Kontakte zu solchen Kreisen pflegte,<br />

entzog sich dem Strafverfahren durch Selbstmord. 66<br />

Der eidgenössische Generalanwalt befasste sich in<br />

seinem Bericht über die Bombendrohung gegen das<br />

Bundeshaus auftragsgemäss auch mit den anderweitigen<br />

Umtrieben von Anarchisten in der Schweiz. Er<br />

stellte dabei fest, dass mit rund 120 Anarchisten zu<br />

rechnen war, von denen Gefahr für die Eidgenossenschaft<br />

weniger unmittelbar als indirekt durch den Missbrauch<br />

des Asylrechts ausging. Schweizer Bürger, die<br />

dem Anarchismus anhingen, fanden sich 1885 wenige.<br />

In der Hauptsache waren es deutsche und österreichische<br />

Staatsangehörige, die der Hass gegen die Repression<br />

in ihren Heimatländern zu Anhängern dieser<br />

Form des Linksextremismus machte.<br />

Aber es gab in der Schweiz auch Angehörige anderer<br />

Staaten, die auf einen gewaltsamen Umsturz in<br />

Europa sannen. Zu den russischen Studenten am Polytechnikum<br />

in <strong>Zürich</strong> gehörten Verschwörer, die am<br />

Chemischen Institut die dortigen Möglichkeiten zur<br />

Herstellung von Sprengstoff nutzten. Am 6.März 1889<br />

testeten zwei von ihnen im Peterstobel auf dem<br />

<strong>Zürich</strong>berg ihre Bomben. Einer der beiden verlor<br />

dabei sein Leben, der andere erlitt schwere Verletzungen.<br />

Der Bundesrat beauftragte den Zürcher Polizeikommandanten<br />

Fischer mit der Untersuchung dieser<br />

sogenannten Bombenaffäre. Dessen Ermittlungen erstreckten<br />

sich auch auf das weitere politische Umfeld<br />

der Verunglückten, und es kam zu Hausdurchsuchungen<br />

und Verhaftungen. Konkrete Straftatbestände<br />

liessen sich freilich keine nachweisen, und das<br />

Die Affäre um den Raubmörder und Anarchisten Hermann Stellmacher hatte in <strong>Zürich</strong> ein gerichtliches und ein<br />

parteipolitisches Nachspiel. Nach der Hinrichtung in Wien tauchten hier Plakate auf, die zum Gedächtnis an den «tapferen,<br />

opfermuthigen, getreuen Genossen Hermann Stellmacher» aufriefen. Auf manchen von ihnen hiess es zudem: Nieder<br />

mit Polizeihauptmann Bollier! Die Urheber wurden gefasst, wegen gemeingefährlicher Drohung angeklagt, von den<br />

Zürcher Gerichten aber freigesprochen. Auf Antrag des Regierungsrates verwies sie der Bundesrat nebst anderen ausländischen<br />

Anarchisten des Landes. Rechtsliberale Kreise vermuteten danach, nicht nur der Burghölzli-Handel sei Anlass<br />

für die Abwahl Hauptmann Bolliers im gleichen Jahr gewesen, sondern auch dessen tatkräftige Verfolgung der Zürcher<br />

Anarchisten mit Verbindungen zu Stellmacher. Die Verdächtigung, die linksdemokratische Partei empfinde Sympathien<br />

für den anarchistischen Mörder bzw. dessen Gedankengut, sei «ein Bubenstück, eine Infamie, wie wir sie im Laufe eines<br />

Menschenalters bewegten Parteilebens sinn- und schamloser noch nie beobachtet», geisselte der demokratische «Landbote»<br />

diese Attacke. 64<br />

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