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Kantonspolizei Zürich - Staatsarchiv - Kanton Zürich

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Die Polizeikaserne am<br />

Ötenbach um 1900. Im Hof<br />

hat sich das Kader postiert.<br />

Regierungsrates selbst. Der Bezirksanwalt, der wie der<br />

Polizeihauptmann und die Mehrheit der Regierung<br />

der linksdemokratischen Partei angehörte, schrieb<br />

später, ihm sei es «immer unheimlicher geworden auf<br />

seinem Posten». Der rechtsliberale Staatsanwalt Fehr<br />

soll sogar dem Justiz- und Polizeidirektor mit Haft gedroht<br />

haben, «als er ihm in der Fischeraffaire nicht in<br />

Allem willfahren wollte». 86<br />

Gegen den Willen der Staatsanwaltschaft erteilte<br />

der Regierungsrat am 28. Dezember 1895 der Strafuntersuchungsbehörde<br />

die Weisung, den inhaftierten<br />

Hauptmann gegen eine Kaution von 10000 Franken<br />

aus der Haft zu entlassen. Heftige Vorwürfe des<br />

rechtsliberalen und sozialdemokratischen Lagers waren<br />

die Folge. Der Fall erregte solches Aufsehen, dass<br />

selbst die Schulkinder auf den Strassen sich zuriefen,<br />

der Polizeihauptmann sei frei! Staatsanwalt Wilhelm<br />

Fehr nahm seine Entlassung. Als im <strong>Kanton</strong>srat die<br />

sofort eingereichten Interpellationen verhandelt wurden,<br />

seien die Tribünen des Rathauses besetzt gewesen<br />

wie nie zuvor. Die Juristen im Rat stritten sich<br />

über die Rechtmässigkeit des regierungsrätlichen Vorgehens.<br />

Die Zuschauer kamen in den Genuss von<br />

Voten, in deren Verlauf auch die moralischen Eigenschaften<br />

des Polizeihauptmanns verhandelt und dieser<br />

als Weiberheld und Alkoholiker bezeichnet wurde,<br />

in denen der Polizeidirektor selbst von der tödlichen<br />

Feindschaft zwischen Hauptmann Fischer und Staatsanwalt<br />

Fehr sprach. 87<br />

Die Strafuntersuchung selbst förderte 309 Fälle<br />

zutage, in denen das Polizeikommando während des<br />

Jahres 1895 eingebrachte Personen länger als drei Tage<br />

in Polizeiverhaft gehalten hatte. Allerdings betrafen<br />

die meisten dieser Fälle Identitätsabklärungen, die<br />

nach dem Heimatlosengesetz zu behandeln waren<br />

und oft viel Zeit erforderten, sowie Fälle armen- und<br />

sittenpolizeilicher Natur, in denen sich der Polizeikommandant<br />

auf die 1867 erfolgte Delegation der<br />

Kompetenzen berufen konnte. Zur Anklage wegen<br />

unzulässiger Haftüberschreitung in strafrechtlichen<br />

Untersuchungen, für die der Kommandant die Verantwortung<br />

trug, kam es schliesslich in sechs Fällen. 88<br />

Das Schwurgericht über Jakob Fischer tagte am<br />

10. und 11. Juli 1896 in Winterthur. Fischer konnte<br />

sich auf die seit längerem bestehende Praxis berufen,<br />

nach der das Polizeikommando in Vertretung der Bezirksanwaltschaft<br />

Ermittlungen führte und das stillschweigende<br />

Einverständnis besass, über die Akten<br />

und Fristen mehr oder weniger nach eigenem Ermessen<br />

zu befinden. Es stand jedoch ebenso fest, dass das<br />

von der Bezirksanwaltschaft geduldete Verfahren von<br />

der Staatsanwaltschaft mehrfach als unstatthaft getadelt<br />

worden war und auch die Polizeidirektion den<br />

Hauptmann aufgefordert hatte, die Strafprozessvorschriften<br />

einzuhalten. Das Gericht sprach Fischer<br />

schliesslich von der Anklage wegen widerrechtlicher<br />

Gefangenhaltung frei, verurteilte ihn aber wegen<br />

fahrlässiger Amtspflichtverletzung zu vier Wochen<br />

Gefängnis und 500 Franken Busse. 89<br />

Notwendigkeit von Reformen<br />

im Justiz- und Polizeiwesen<br />

Der Fall des Polizeihauptmannes Fischer zeigte, dass<br />

die zürcherische Rechtspflege dringender Reformen<br />

bedurfte. Als solche wurden in erster Linie bezeichnet<br />

die genaue Ausscheidung der Kompetenzen von <strong><strong>Kanton</strong>spolizei</strong><br />

und Strafuntersuchungsbehörden sowie<br />

die Ernennung von fähigen Bezirksanwälten. 90<br />

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