Handbuch um.welt - Projekt Um.Welt
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2.4 Aktuelle Situation der Ju/‘Hoansi<br />
2.4.1 Landkonflikte<br />
Seit den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts waren die Ju/‘Honasi der Nyae Nyae Region starken<br />
Veränderungen ausgesetzt. Dies betraf vor allem den Zugang zu Land. Darüber hinaus muss betont<br />
werden, dass alle San- Gruppen – wie alle anderen ethnischen Gruppen in Namibia und Südafrika<br />
auch – den rassistischen Gesetzen des Apartheid-Regimes unterworfen wurden.<br />
Landkonflikte während der Apartheid<br />
In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts drangen europäische Farmer und von Viehhaltung lebende<br />
Hereros, Tswana und Kavango in die Region ein. Die Eindringlinge bedienten sich u.a. des sogenannten<br />
Blackbirding, d. h. einzelne Personen oder ganze Familien gewaltsam zu entführen und als<br />
Arbeitssklaven auf der Farm zu halten. Dies hatte massive Auswirkungen auf die Sozialstrukturen<br />
und führte zu einem Mangel an Arbeitskräften in den Ju/‘Hoansi Gemeinschaften. 41 Mit dem Versprechen<br />
auf Arbeit, landwirtschaftliche Ausbildung, Essensrationen und Zugang zu medizinischer<br />
Versorgung lockte die Regierung viele Ju/‘Hoansi, sich in der „Hauptstadt“ Ts<strong>um</strong>kwe, die offiziell<br />
1959 gegründet wurde, niederzulassen. Die Annehmlichkeiten der Stadt Ts<strong>um</strong>kwe hatten allerdings<br />
verheerende Auswirkungen auf die Traditionen und Gebräuche der Ju/‘Hoansi: Hohe Arbeitslosigkeit,<br />
der einfache Zugang zu Alkohol und die Konfrontation mit neuen Krankheiten führten zu einer<br />
Reihe von wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Problemen. Der Schwund von pflanzlicher<br />
Nahrung und Jagdwild im <strong>Um</strong>kreis von Ts<strong>um</strong>kwe führte zu einer drastischen Abnahme des<br />
Jagens und Sammelns und zu einer generellen Unterernährung. Als Resultat der Abhängigkeit von<br />
Ernährungsrationen der Regierung ging das System der Gegenseitigkeit verloren. Die Menschen<br />
waren nicht mehr in der Lage, die Ressourcen, die sie für sich erschlossen hatten, zu teilen. 42<br />
Einen weiteren Einfluss übte die Einführung der Geldwirtschaft auf die örtlichen Gebräuche aus.<br />
Gordon und Douglas geben z. B. an, dass im Laden gekaufte Waren den Brautdienst als Legitimation<br />
einer Heirat zu ersetzen begannen. 43 Dieser Brautdienst war Arbeit, die als Brautpreis erbracht<br />
wurde. Es wurden Gegenstände als Brautpreis nun mit Geld gekauft was es früher nicht gab. Früher<br />
wurden Gegenstände, die wichtig waren, selber hergestellt – auch als Brautpreis. Höhere Todesraten,<br />
soziale Spannungen, Armut, Apathie und Unterernährung bestimmten zunehmend das Leben<br />
in Ts<strong>um</strong>kwe und führten dazu, dass die Ju/‘Hoansi Ts<strong>um</strong>kwe bald den Ort des Todes nannten. 44<br />
1970 wurden die Empfehlungen der Odendaal Kommission, in die Tat <strong>um</strong>gesetzt und der Plan<br />
für ‚divided development‘ (getrennte Entwicklung) im Sinne der Apartheidspolitik trat in Kraft.<br />
So wurden die sogenannten Homelands für die Ju/‘Hoansi geschaffen. Sie wurden West- und Ost-<br />
41 Hitchcock, Robert (1996): Kalahari Communities: Bushmen and the Politics of the Environment in Southern Africa.<br />
International Work Group for Indigenous Affairs Doc<strong>um</strong>ent no. 79. Copenhagen, IWIGA, S. 48.<br />
42 Ebd. S. 50.<br />
43 Gordon, Robert / Stuart Sholto Douglas (2000): The Bushman Myth: The Making of a Namibian Underclass (2. Ausgabe).<br />
Boulder: Westview, S. 176.<br />
44 Hitchcock, Robert (1996): Kalahari Communities: Bushmen and the Politics of the Environment in Southern Africa. International<br />
Work Group for Indigenous Affairs Doc<strong>um</strong>ent no. 79. Copenhagen, IWIGA, S. 50. Bisele, Megan (1990): Shaken<br />
Roots: The Bushmen of Namibia. Marshalltown, South Africa: EDA Publications, S. 7.<br />
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