INFO - service.bistumlimburg.de - Bistum Limburg
INFO - service.bistumlimburg.de - Bistum Limburg
INFO - service.bistumlimburg.de - Bistum Limburg
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
urg: Echter Verlag. 2003. 133 S. € 14.40 (ISBN 3-<br />
429-02177-4)<br />
Die Lehre <strong>de</strong>r Bibel über <strong>de</strong>n Menschen zu beschreiben,<br />
ist ein schwieriges Unterfangen. Denn<br />
die Frage: „Was ist <strong>de</strong>r Mensch?“ ist eine philosophische<br />
Frage. Die Theologie fragt viel mehr:<br />
„Was soll <strong>de</strong>r Mensch tun?“ und „Was soll <strong>de</strong>r<br />
Mensch glauben?“ Auf das erste antwortet die<br />
Moraltheologie, auf das zweite die Dogmatik.<br />
Bei<strong>de</strong> speisen sich aus <strong>de</strong>r Hl. Schrift. Deshalb<br />
sagen auch die bei<strong>de</strong>n Autoren, we<strong>de</strong>r das AT<br />
noch das NT bieten eine ausdrückliche Anthropologie<br />
(S. 9.77.102.121f). Sie sprechen bei<strong>de</strong> nur<br />
über <strong>de</strong>n Menschen in seiner Beziehung zu Gott,<br />
bei<strong>de</strong> Autoren nennen das eine „relationale Anthropologie“.<br />
Da allerdings haben bei<strong>de</strong> Testamente<br />
Gewichtiges zu sagen: „Es gibt <strong>de</strong>n Menschen<br />
nur von Gott und vor Gott“ (S.86). – Christian<br />
Frevel formuliert in <strong>de</strong>r Zusammenschau (im<br />
„Dialog“ zwischen AT und NT, S.121ff) wertvolle<br />
Einsichten: „Im Alten Testament wird, grob<br />
gesagt, stärker über die Herkünftigkeit <strong>de</strong>s Menschen,<br />
im Neuen Testament über seine Zielgerichtetheit<br />
gehan<strong>de</strong>lt“ (122). „Die Re<strong>de</strong> von Geschöpflichkeit<br />
und Vergänglichkeit, von Körperlichkeit<br />
und Sexualität, von <strong>de</strong>r Komplementarität<br />
<strong>de</strong>r Geschlechter, von <strong>de</strong>r Sozialität und Kulturalität<br />
<strong>de</strong>s Menschen, von seiner Verantwortung<br />
und Aufgabe sowie von <strong>de</strong>r gleichen Wür<strong>de</strong><br />
aller geschaffenen Menschen und <strong>de</strong>m unverlierbaren<br />
Verhältnis <strong>de</strong>s einzelnen zu seinem Schöpfer<br />
sind Bereiche, in <strong>de</strong>nen das Alte Testament<br />
unaufgebbare und bleiben<strong>de</strong> theologische Einsichten<br />
formuliert“ (ebd.). All diese Punkte stellt<br />
Frevel im ersten Teil (7-60) ausführlich dar. „Die<br />
Schöpfungserzählungen (Gen 1-3) bzw.die biblische<br />
Urgeschichte (Gen 1-11) haben eine anthropologische<br />
Dichte son<strong>de</strong>rgleichen“ (11). Die Themen<br />
im einzelnen sind: Menschwerdung im AT<br />
(12-19), Mitten im Leben vom Tod umfangen<br />
(20-24), Menschsein im AT (26-42). Arbeit und<br />
Ruhe: Die Bestimmung <strong>de</strong>s Menschen (49-56),<br />
Die Hoffnung <strong>de</strong>s Menschen im Land <strong>de</strong>r Leben<strong>de</strong>n<br />
(57-60). – Probleme bereitet ihm – und <strong>de</strong>m<br />
Leser – dabei das Verhältnis von Leib und Seele<br />
und <strong>de</strong>ren Weiterleben im AT, <strong>de</strong>r sogenannte<br />
Dichotomismus, <strong>de</strong>n es angeblich im AT nicht<br />
gebe (27f). Erst im hellenistischen Weisheitsbuch<br />
sei <strong>de</strong>r Gedanke an die weiterleben<strong>de</strong> Seele<br />
aufgetaucht (58). Er muss aber doch auch berichten,<br />
dass schon in Gen 3,22: „...damit er nicht ewig<br />
lebt“, in 1 Sam 2,6: „Gott führt von <strong>de</strong>r Unterwelt<br />
herauf“ und Koh 3,21: „steigt <strong>de</strong>r Atem (ruach)<br />
nach oben?“ sehr früh von <strong>de</strong>r Hoffnung auf Leben<br />
nach <strong>de</strong>m Tod die Re<strong>de</strong> ist. Man hätte sich<br />
gewünscht, daß im „Dialog“ vom NT her 1 Petr<br />
3,19f einbezogen wür<strong>de</strong>: Die „Geister im Gefängnis“<br />
sind gera<strong>de</strong> jene „Geister“ (pneúmata,<br />
von ruach Gen 6,3-7,22), die „nicht im Menschen<br />
bleiben sollten“, aber auch in <strong>de</strong>r Sintflut nicht<br />
untergehen konnten.<br />
Oda Wischmeyer beginnt mit neutestamentlichen<br />
Herkunftsbezeichnungen für Menschen aus<br />
Familie, Ort, Alter, Beruf etc. Der Erkenntnisgewinn<br />
ist gering, eher anekdotisch. Spannen<strong>de</strong>r<br />
wird es, wenn sie von <strong>de</strong>n Erzählungen <strong>de</strong>s NT<br />
über das Wirken Jesu an <strong>de</strong>n Menschen berichtet:<br />
„Das Volk ist Gegenstand <strong>de</strong>s Erbarmens Jesu“<br />
(80). „Jesus begegnet Menschen“ (ebd.). Das<br />
Menschenbild <strong>de</strong>s NT sei aber schematisch. „Je<strong>de</strong><br />
Differenzierung und Individualisierung fehlt.<br />
Als einziger Mensch ... hat Jesus bestimmte individuelle<br />
Züge“ (83). „Lediglich Paulus begegnet<br />
als sich selbst aussprechen<strong>de</strong>s Individuum“ (84).<br />
Dementsprechend stellt Oda Wischmeyer vor allem<br />
die Anthropologie <strong>de</strong>s Paulus dar („Zentrum<br />
unserer Darstellung“, S.89). Das ist ihr (S.89-<br />
106) mit Röm 1-3etc.: allgemeine Sün<strong>de</strong> – allgemeine<br />
Erlösung durch Christus im Glauben, gelungen.<br />
Wohl <strong>de</strong>shalb sieht aber das Jesusbild ihrer<br />
Darstellung etwas schmalbrüstig aus. Er hat<br />
seine Lehre „nur auf ‚die verlorenen Schafe <strong>de</strong>s<br />
Hauses Israel‘ (Mt 10,6; 15,24) bezogen. Die<br />
Hei<strong>de</strong>n sind nicht in seinem Blick“, sagt sie<br />
(S.86,87). Was sagt sie dann aber zu Mt 8,11:<br />
„Viele wer<strong>de</strong>n von Osten und Westen kommen<br />
und mit Abraham, Isaak und Jakob zu Tische sitzen<br />
im Reiche Gottes“? Und zu Mt 28,19: „Geht<br />
hin in alle Welt und lehret alle Völker“? Und zum<br />
Gleichnis von <strong>de</strong>n bösen Winzern, <strong>de</strong>nen „das<br />
Reich genommen und einem an<strong>de</strong>rn Volke gegeben<br />
wird, das seine Früchte bringt“ (Mt 21,43)?<br />
Und vor allem: Wie geht damit <strong>de</strong>r große, kosmische,<br />
für die ganze Welt be<strong>de</strong>utsame Christus <strong>de</strong>s<br />
Paulus zusammen, <strong>de</strong>n sie im Folgen<strong>de</strong>n selbst<br />
darstellt? „Christus ist hier (in Röm 3,21-26) von<br />
seinem Tod her als <strong>de</strong>rjenige verstan<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r korporativ<br />
für alle Menschen Sühne geleistet hat, so<br />
dass ein neues Verhältnis Gottes zu <strong>de</strong>n Menschen<br />
möglich wür<strong>de</strong>“ (97). Die Anthropologie Jesu,<br />
die sie aus <strong>de</strong>m Vaterunser erschließt, fasst sie kurz<br />
so zusammen: „a) die Menschen stehen immer<br />
vor Gott, b) Gott erhält die Menschen“ (86). Die<br />
Anthropologie <strong>de</strong>r synoptischen Jesustraditon<br />
glie<strong>de</strong>rt sie in drei Punkte: „Der Mensch als Geschöpf,<br />
<strong>de</strong>r Mensch als Schuldner und als Erneuerter<br />
angesichts <strong>de</strong>r kommen<strong>de</strong>n Gottesherrschaft,<br />
<strong>de</strong>r Mensch, <strong>de</strong>r Gottes Willen tut.“ „Die<br />
Essenz <strong>de</strong>r Anthropologie Jesu liegt in <strong>de</strong>r Gottebenbildlichkeit<br />
<strong>de</strong>s Menschen, die als Kindschaft<br />
ausgelegt ist: Ihr sollt vollkommen sein,<br />
wie es auch euer himmlischer Vater ist (Mt 5,48).“<br />
Die Anthropologie <strong>de</strong>s Paulus wird so zusammengefasst:<br />
„Der Mensch steht im Mittelpunkt seiner<br />
Mission..., nicht aber als <strong>de</strong>r Mensch, son<strong>de</strong>rn als<br />
<strong>de</strong>r erlöste Mensch und auch als <strong>de</strong>r nicht erlöste<br />
Mensch. (Dabei) <strong>de</strong>nkt er nicht ontologisch in<br />
verschie<strong>de</strong>nen Seinsweisen..., son<strong>de</strong>rn theologisch,<br />
d.h. relational von Gott aus. Aus menschlicher<br />
Sicht verläuft damit die Schei<strong>de</strong>linie zwischen<br />
Glauben und Nicht-Glauben“ (102). Be<strong>de</strong>nkenswert<br />
ist wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Schlussakkord: „Die eigentliche<br />
Dimension <strong>de</strong>s Menschen ist seine Zukunft“<br />
(109.111). Ein Blick auf die allgemeine heutige<br />
Anthropologie, welche ihrerseits die christliche<br />
„nicht zur Kenntnis nimmt“ (107.111), run<strong>de</strong>t das<br />
Buch ab. Wegen vieler Einzelerkenntnisse lohnt<br />
sich die Lektüre. Heinz-Jürgen Vogels<br />
Gellner, Christoph<br />
SScchhrriiffttsstteelllleerr lleesseenn<br />
ddiiee BBiibbeell<br />
Die Heilige Schrift in <strong>de</strong>r Literatur <strong>de</strong>s 20.<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rts. – Darmstadt: Primus Verlag. 2004.<br />
224 S., € 24.90 (ISBN 3-89678-521-4)<br />
Mit Heinrich Heines enthusiastischem Lob<br />
<strong>de</strong>r Bibel lässt Christoph Gellner die vorliegen<strong>de</strong><br />
Monographie beginnen und gibt so Motivation<br />
und Tenor seiner Untersuchung vor: „Welch ein<br />
Buch! groß und weit wie die Welt, wurzelnd in<br />
die Abgrün<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Schöpfung und hinaufragend in<br />
die blauen Geheimnisse <strong>de</strong>s Himmels ... Sonnenaufgang<br />
und Sonnenuntergang, Verheißung und<br />
Erfüllung, Geburt und Tod, das ganze Drama <strong>de</strong>r<br />
Menschheit ist in diesem Buche.“ Vorbereitet<br />
durch Her<strong>de</strong>r und Goethe ist Heine einer <strong>de</strong>r ersten<br />
Schriftsteller, die, nach<strong>de</strong>m Glaube und Wissen<br />
im Zuge <strong>de</strong>r Aufklärung auseinan<strong>de</strong>r getreten<br />
sind, die Bibel vor allem ästhetisch-literarisch<br />
und kulturgeschichtlich liest: als Werk <strong>de</strong>r Weltliteratur<br />
und als literarischer Gedächtnisspeicher,<br />
in <strong>de</strong>m die komplexen Lebens-, Lei<strong>de</strong>ns- und<br />
Konfliktgeschichten <strong>de</strong>r Menschen mit Gott, <strong>de</strong>r<br />
Schöpfung und ihresgleichen aufbewahrt sind.<br />
Sie bietet einen unerschöpflichen Vorrat an archetypischen<br />
Situationen, Gleichnis- und Mo<strong>de</strong>llgeschichten,<br />
die sich späteren Schriftstellergenerationen<br />
anbieten, um die Gefährdungen<br />
menschlicher Existenz zu beschreiben und die<br />
Katastrophen <strong>de</strong>r Zeit besprechbar zu machen.<br />
Diese produktive literarische Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
mit <strong>de</strong>r Bibel geschieht in vielen Formen<br />
<strong>de</strong>r Absetzung, <strong>de</strong>r Fortschreibung und <strong>de</strong>r Um<strong>de</strong>utung<br />
<strong>de</strong>r biblischen Vorlagen. Christoph Gellner<br />
untersucht diesen Vorgang schöpferischer Bibelrezeption<br />
anhand literarischer und autobiographischer<br />
Schlüsseltexte repräsentativer <strong>de</strong>utschsprachiger<br />
Autorinnen und Autoren <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts.<br />
Sie alle sind Verletzte und Lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>.<br />
Als Ju<strong>de</strong>n haben sie gelitten unter Rassenhass,<br />
Exil und Völkermord, so Else Lasker-Schüler,<br />
Rose Auslän<strong>de</strong>r, Grete Weil, Hil<strong>de</strong> Domin, Wolfgang<br />
Hil<strong>de</strong>sheimer, Erich Fried, Günter Kunert,<br />
Anna Seghers und Stefan Heim. Als Zeitgenossen<br />
lei<strong>de</strong>n sie unter <strong>de</strong>r Last <strong>de</strong>r Vergangenheit<br />
und <strong>de</strong>r restaurativen Nachkriegsgegenwart samt<br />
Gedächtnisschwund und Wirtschaftswun<strong>de</strong>rseligkeit,<br />
so Heinrich Böll, Günter Grass und Ingeborg<br />
Bachmann. Ein Son<strong>de</strong>rfall ist die unter bedrücken<strong>de</strong>n<br />
persönlichen und wirtschaftlichen<br />
Verhältnissen leben<strong>de</strong> Österreicherin Christine<br />
Lavant, die als Lyrikerin von Rang und als religiöse<br />
Dichterin immer noch <strong>de</strong>r Ent<strong>de</strong>ckung<br />
harrt. Bei Gellner verbin<strong>de</strong>n sich in glücklicher<br />
Weise die Darstellung von Lebensgeschichten,<br />
persönlichen Erfahrungen und die einfühlsame<br />
Interpretation von Texten – in <strong>de</strong>r Überzahl lyrischen<br />
–, in <strong>de</strong>nen biblische Themen und Motive<br />
aufgegriffen und verarbeitet wer<strong>de</strong>n. Auf diese<br />
Weise entsteht eine kleine Literaturgeschichte<br />
<strong>de</strong>r Nachkriegszeit, in <strong>de</strong>r neben Nobelpreisträgern<br />
und weithin bekannten Romanciers auch<br />
„schwierige“ und <strong>de</strong>shalb weniger populäre Lyriker<br />
und Lyrikerinnen zu Worte kommen. Weil<br />
Lei<strong>de</strong>nserfahrungen vorherrschen und Kontinuitätsbrüche<br />
das Verhältnis zur literarischen und<br />
kulturellen Vergangenheit kennzeichnen, bedienen<br />
sich auch die vorgestellten Texte mo<strong>de</strong>rner<br />
<strong>INFO</strong> 34 · 1/2005<br />
LITERATUR & MEDIEN<br />
43