INFO - service.bistumlimburg.de - Bistum Limburg
INFO - service.bistumlimburg.de - Bistum Limburg
INFO - service.bistumlimburg.de - Bistum Limburg
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
BEITRÄGE<br />
6<br />
mit <strong>de</strong>m Pilz“, befin<strong>de</strong>t sich noch heute<br />
an einem hervorragen<strong>de</strong>n Platz im<br />
Chor <strong>de</strong>r Kirche. Der Altar wur<strong>de</strong> sogar<br />
im Barock renoviert.<br />
Während die Gegenreformation<br />
und die katholische Reform im 17. und<br />
frühen 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt Wallfahrt sogar<br />
beför<strong>de</strong>rn, macht sich in <strong>de</strong>r katholischen<br />
Kirche erst mit <strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> im<br />
Rheinland und Norditalien starken Aufklärung<br />
eine große Wallfahrtskritik breit.<br />
Die Wallfahrten, beson<strong>de</strong>rs wenn sie<br />
über <strong>de</strong>n Kirchspielssprengel hinausgingen,<br />
hin<strong>de</strong>rten die Menschen an <strong>de</strong>r<br />
Arbeit und verlockten in <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>r<br />
staatlichen Obrigkeit – auch <strong>de</strong>r geistlichen<br />
Territorien – die Menschen zu gefährlichem<br />
Müßiggang. Beson<strong>de</strong>rs beför<strong>de</strong>rten<br />
sie mit <strong>de</strong>r oft nicht starken<br />
Trennung <strong>de</strong>r Geschlechter bei <strong>de</strong>n Übernachtungsmöglichkeiten<br />
die Unmoral,<br />
was auch ein im 18. und 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />
am Mittelrhein verbreitetes Schimpfwort<br />
„Du abgetriwwener Wallfahrtsbankert“<br />
wi<strong>de</strong>rspiegelt. Außer<strong>de</strong>m wi<strong>de</strong>rsprach<br />
die beson<strong>de</strong>re Verehrung eines<br />
Heiligen o<strong>de</strong>r Mariens direkt <strong>de</strong>r aufgeklärten<br />
Theologie. Einer <strong>de</strong>r großen<br />
Kritiker war <strong>de</strong>r ehemalige Benediktiner<br />
und spätere württembergische Rat<br />
Leonhard Maria Werkmeister: (* 1745<br />
Füssen, † 1823 Stuttgart; 1807 Geistlicher<br />
Rat, 1817 Oberkirchenrat). In seiner<br />
1801 in Hadamar erschienen Schrift<br />
„An die unbeschei<strong>de</strong>nen Verehrer <strong>de</strong>r<br />
Heiligen, beson<strong>de</strong>rs Mariae. Eine Belehrung<br />
nach <strong>de</strong>r ächtkatholischen Glaubenslehre“<br />
schrieb er:<br />
„Maria ist ja immer ein sehr moralisches<br />
Wesen gewesen und ist es auch<br />
jetzt noch, in <strong>de</strong>m Zustan<strong>de</strong> ihrer Verklärung<br />
noch mehr; wie sollte sie also in<br />
ihren wichtigsten Handlungen im Himmel,<br />
da wo sie ihre Gemeinschaft und<br />
Liebe gegen die streiten<strong>de</strong> Kirche an<br />
<strong>de</strong>n Tag legt, eine solche Caprice äußern,<br />
die man an je<strong>de</strong>m Menschen lächerlich<br />
fin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>, und gera<strong>de</strong> nur<br />
helfen wollen, o<strong>de</strong>r wenigstens <strong>de</strong>njenigen<br />
vorzüglich helfen wollen, die eine<br />
weite Reise machen... und sie an ihrem<br />
Gna<strong>de</strong>norte in Einsie<strong>de</strong>ln anrufen?“<br />
Ähnlich boshaft, wenn auch subtiler,<br />
äußert sich die Wallfahrtskritik <strong>de</strong>r<br />
<strong>INFO</strong> 34 · 1/2005<br />
Kulturkampfzeit En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts.<br />
Wallfahrt war nicht direkt einer<br />
<strong>de</strong>r Kampfpunkte <strong>de</strong>s preußisch-<strong>de</strong>utschen<br />
Staates. Aber das Vorgehen gegen<br />
viele die Wallfahrt tragen<strong>de</strong>n Or<strong>de</strong>n,<br />
wie gegen die Re<strong>de</strong>mptoristen von<br />
Bornhofen, zielten auch gegen die beim<br />
Volk beliebte Wallfahrt. Die geistige<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzung war schon im Vormärz<br />
bei <strong>de</strong>r Heilig-Rock-Wallfahrt<br />
1844 geführt wor<strong>de</strong>n. Gegen die historische<br />
Begründung <strong>de</strong>r Echtheit <strong>de</strong>s Heiligen<br />
Rockes durch <strong>de</strong>n Trierer Geistlichen<br />
Jakob Marx schrieben die Bonner<br />
Historiker Johannes Gil<strong>de</strong>meister und<br />
Heinrich von Sybel ihre Schrift „Der<br />
Heilige Rock zu Trier und die zwanzig<br />
an<strong>de</strong>ren Heiligen Ungenähten Röcke“.<br />
Sybel vertrat später im politischen Historikerstreit<br />
<strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts mit<br />
<strong>de</strong>m Innsbrucker Julius Ficker die antikatholisch-preußische<br />
Position. Aber<br />
auch in <strong>de</strong>r einfachen Publizistik polemisierte<br />
man lange vor <strong>de</strong>m Kulturkampf<br />
gera<strong>de</strong> gegen diese Wallfahrt. Am<br />
bekanntesten ist das Spottlied: „Freifrau<br />
von Droste-Vischering zum Heilgen<br />
Rock nach Trier ging, TriTraTrier<br />
ging...“. Im eigentlichen Kulturkampf<br />
ist beson<strong>de</strong>rs Wilhelm Busch, <strong>de</strong>r mit<br />
seinem Pater Filuzius eine satirische<br />
propreußische Kulturkampfschrift entwarf,<br />
zu nennen. Seine Wallfahrtskritik<br />
fin<strong>de</strong>t sich in <strong>de</strong>r „Frommen Helene“:<br />
Fromme Helene<br />
„Hoch von gna<strong>de</strong>nreicher Stelle<br />
Winkt die Schenke und Kapelle.–<br />
Aus <strong>de</strong>m Tale zu <strong>de</strong>r Höhe,<br />
In <strong>de</strong>m seligen Gedränge<br />
Andachtsvoller Christenmenge<br />
Fühlt man froh <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>rn Nähe;<br />
Denn hervor aus Herz und Mun<strong>de</strong>,<br />
Aus <strong>de</strong>r Seele tiefstem Grun<strong>de</strong><br />
Haucht sich warm und innig an<br />
Pilgerin und Pilgersmann.–<br />
Hier vor allen, schuhbestaubt,<br />
Warm ums Herze, warm ums Haupt,<br />
Oft erprobt in ernster Kraft,<br />
Schreitet die Erzgebru<strong>de</strong>rschaft.–<br />
Itzo kommt die Jungferngil<strong>de</strong>,<br />
Auf <strong>de</strong>n Lippen Harmonie,<br />
In <strong>de</strong>m Busen Engelsmil<strong>de</strong>,<br />
In <strong>de</strong>r Hand das Paraplü.–<br />
Oh, wie lieblich tönt <strong>de</strong>r Chor!<br />
Bru<strong>de</strong>r Jochen betet vor.–<br />
...<br />
Gott sei Dank, jetzt ist man oben!<br />
Und mit Preisen und mit Loben<br />
Und mit Eifer und Bedacht<br />
Wird das Nötige vollbracht.<br />
Freudig eilt man nun zur Schenke,<br />
Freudig greift man zum Getränke,<br />
Welches schon seit langer Zeit<br />
In <strong>de</strong>s Klosters Einsamkeit<br />
Ernstbesonnen, stillvertraut,<br />
Bru<strong>de</strong>r Jakob öfters braut.<br />
Und es schauen sich innig an<br />
Pilgerin und Pilgersmann.”<br />
In <strong>de</strong>r Fortsetzung <strong>de</strong>r Geschichte<br />
kommt es dann, wie es kommen muss.<br />
Die besoffene Pilgerschar verprügelt<br />
einen armen rechtschaffenen Bürger<br />
und wird vor Gericht verurteilt. Im<br />
Grun<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>rholt sich auch hier die<br />
alte aufgeklärte Wallfahrtskritik <strong>de</strong>r<br />
Wallfahrt als Müßiggang. An <strong>de</strong>n Wallfahrtsorten<br />
selbst gab es gera<strong>de</strong> aber<br />
auch in <strong>de</strong>r Kulturkampfzeit Kritik an<br />
<strong>de</strong>n Kritikern. Vielleicht am berühmtesten<br />
ist <strong>de</strong>r „Kreuzweg” <strong>de</strong>s Rheingauer<br />
Wallfahrtsortes Kiedrich. Die<br />
Schergen, die Christus quälen, tragen<br />
die verhassten Züge Bismarcks und<br />
seines Kultusministers Falck.<br />
2. Die Heilige Reise<br />
2.1 Wallfahrt als gemeinreligiöses<br />
Phänomen<br />
Die Erfolglosigkeit aller Wallfahrtskritik<br />
hängt vielleicht schon damit zusammen,<br />
dass die Wallfahrt eine anthropologische<br />
Konstante in <strong>de</strong>n Religionen<br />
darstellt. Wallfahrt bzw. Pilgerfahrt<br />
ist nämlich kein christliches Problem<br />
– o<strong>de</strong>r besser keine ausschließlich<br />
christliche Gepflogenheit. In allen Religionen<br />
spielt die Wallfahrt als heilige<br />
Lebensreise eine große Rolle.<br />
So ist am Amunheiligtum in Theben<br />
in Oberägypten eine Wallfahrtspro-