Gruß aus Lomnitz - Verein zur Pflege schlesischer Kunst und Kultur eV
Gruß aus Lomnitz - Verein zur Pflege schlesischer Kunst und Kultur eV
Gruß aus Lomnitz - Verein zur Pflege schlesischer Kunst und Kultur eV
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
ses ihrer Großmutter in Lübeck zufällig eine alte Nordh<strong>aus</strong>ener Stadtansicht<br />
von Merian. Die vielen weiteren alten Stiche, Skizzen, Zeichnungen <strong>und</strong><br />
Gemälde, die sie zunächst vor allem über Abbildungen in Büchern kennen<br />
lernte, nahmen sie von Beginn an gefangen. Das Faszinierende dieser Ansichten<br />
war, dass sie Vergangenes <strong>und</strong> Erhaltenes geheimnis- <strong>und</strong> kunstvoll<br />
vereinigten. Welche der Motive waren heute noch zu sehen? Von welchem<br />
Standpunkt <strong>aus</strong> wurden die Ansichten angefertigt? Wo haben sich die Künstler<br />
ihre berühmten Freiheiten in der Darstellung der Wirklichkeit erlaubt? Und<br />
weshalb taten sie es?<br />
Frau Dr. Marsch ging neben ihrem Arbeitsleben in einem technischen Beruf<br />
auf ihren vielen Reisen all diesen Fragen akribisch nach. Forschte sie einerseits<br />
in längst vergessenen Beständen von Bibliotheken <strong>und</strong> Archiven, so<br />
suchte sie andererseits auch viele der Orte, die auf den alten Ansichten zu bew<strong>und</strong>ern<br />
waren, auf, um vor Ort dem Rätsel der Geschichte nachzuspüren.<br />
Dies alles in regem Gedanken<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch mit Wissenschaftlern <strong>und</strong> allen Interessierten.<br />
Der Dreiklang von Gewesenem, Gebliebenem <strong>und</strong> künstlerischer<br />
Wiedergabe in den alten topographischen Ansichten ließ sie nicht mehr<br />
los. Schon bald drängte sie es, ihre immer spektakulärer werdenden künstlerischen<br />
Entdeckungen auch der Öffentlichkeit vorzustellen. Bereits 1972 erschien<br />
ihre erste Publikation über ein mit Stadtansichten illustriertes<br />
Periodikum „Meyers Universum“ <strong>aus</strong> der ersten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />
Ihren ersten großen kunsthistorischen Coup sollte eine recht unbekannte<br />
Stadtansicht von Prag einleiten. Zufällig entdeckte sie diese in einem<br />
Museumsführer der Universität Würzburg. Von ihrem einmaligen Spürsinn getrieben,<br />
machte sie sich nach Würzburg auf, wo sie in der Universitätsbibliothek<br />
noch viele weitere bis dahin kaum bekannte Stadtansichten desselben<br />
Künstlers fand – allerdings ohne jeglichen Hinweis auf ihren Ursprung. In Zusammenarbeit<br />
mit Historikern konnte sie durch Vergleiche der dargestellten<br />
Gebäude die Zeichnungen schließlich auf die Jahre 1536/37 datieren <strong>und</strong> den<br />
kunstsinnigen <strong>und</strong> lebensfrohen Renaissancefürsten <strong>und</strong> Pfalzgrafen Ottheinrich<br />
von Neuburg (1502-59) als ihren Auftraggeber ermitteln. Dieser hatte<br />
sich von seiner Residenz Neuburg an der Donau <strong>aus</strong> auf eine Reise nach<br />
Krakau begeben, um dort bei seinem Großonkel, dem polnischen König Sigism<strong>und</strong><br />
I., alte Mitgiftsschulden einzutreiben. Er hatte einen Zeichner mitgenommen,<br />
um alle „Merkwürdigkeiten“ der Reise zu seiner Erinnerung <strong>und</strong><br />
späteren „Ergötzung“ festzuhalten. Wenn man so will, erstellte er eine Vorform<br />
des Fotoalbums. Eine Art der bildlichen Erinnerung, die nun durch digitale<br />
Darstellungen schon fast wieder der Vergangenheit angehört. Da in Ottheinrichs<br />
Zyklus von 70 später farblich <strong>aus</strong>gemalten Federzeichnungen unter anderem<br />
auch die ältesten Stadtansichten von Berlin <strong>und</strong> Wittenberg zu<br />
11