107<strong>der</strong> Gefangenschaft Joseph <strong>van</strong> den Heuvel wird nach <strong>der</strong> Heimkehr verhaftet, Timmermanswird verbannt, <strong>Lode</strong> <strong>van</strong> <strong>der</strong> <strong>Linden</strong> bleibt in Deutschland.Der dritte und für unsere Ausstellung wichtigste Aspekt: Neues kann wachsen. <strong>Lode</strong> <strong>van</strong> <strong>der</strong><strong>Linden</strong> wird zum zweiten Mal geboren – als Maler. Nicht durch Lobreden namhafter Kritiker– von denen er ohnehin nicht viel hält, er pflegte zu sagen: „Sie wissen nicht, ob <strong>der</strong> Pinseldie Haare vorn o<strong>der</strong> hinten hat, aber sie wissen alles besser“ – son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Stille. UnserZiel sucht uns manches Mal auch auf Umwegen – und wird uns finden.Du<strong>der</strong>stadt, die kleine wallumfriedete Fachwerkstadt, wo das Auge überall an Grenzen stößt,verän<strong>der</strong>t, weil es an<strong>der</strong>s ist. Aus dem erfolgsverwöhnten jungen Architekten <strong>der</strong> Weltstadt an<strong>der</strong> Scheldemündung wird ein Naturbursche in Wan<strong>der</strong>stiefeln mit Freude sogar an <strong>der</strong> Jagd.Motiv Baum: Der Zeichenstift, gewöhnt an Weiden, schlanke hohe Birken und Erlen, die imWinter frieren und vom Wind einseitig gebeutelt wurden, folgt nun den Knäueln und Knoten<strong>der</strong> 500jährigen Wurzeln, die sich auf dem Erdreich um die <strong>Linden</strong>bäume auf dem Stadtwalllegen, bevor sie in Wülste übergehen, zu aufstrebenden Säulen zusammenwachsen und dieKronen tragen. Mögen sie auch wie<strong>der</strong>erkennbar sein, Van <strong>der</strong> <strong>Linden</strong>s Bäume sind nieAbbildung o<strong>der</strong> Illustration, son<strong>der</strong>n immer Ausschnitt aus dem Kosmos, sie sprechen vomDrama um Vergehen und Neuwerden, von Hoffnung.Motiv Wasser: Die Eichsfel<strong>der</strong> Flüsschen zwischen bunten Hügeln sind das Gegenteil <strong>der</strong>Schelde. Die Rhumequelle gar liegt wie ein Märchen im Wald. Sie wird zum Initiationsort,bis an sein Lebensende wird sie den Maler herausfor<strong>der</strong>n. Wer das Glück hat, dort allein zusein, kann das nachvollziehen. Wie oft ist er wohl dorthin gepilgert, wie Cézanne Staffelei,Klappstuhl, Leinwald und Malkasten gebuckelt...!Was ist das Beson<strong>der</strong>e am Rhumesprung? Zunächst seine geheimnisvollen Grüntöne.„Chromoxydgrün-feurig“ schwärmt er, „Grün ist die schwierigste Farbe, wer mit Grünumgehen kann, kann malen“.Sodann <strong>der</strong> Wasserspiegel. Er hat die beiden Bewegungen wie jedes an<strong>der</strong>e glatte Wasserauch: Den Sog abwärts – es gäbe sonst we<strong>der</strong> Narziss noch Ophelia –, als wolle er dieStämme am Ufer nach unten ziehen; sodann die hellen exakt waagrechten Linien, die denWan<strong>der</strong>er wie den Maler irritieren, weil sie tragfeste Oberfläche vortäuschen. Und nun dieBeson<strong>der</strong>heit: Die Rhumequelle entlässt mal hier, mal da geringe o<strong>der</strong> stärkere Wasserstößeaus ihrem Untergrund. Die lassen den Spiegel kurz erzittern, das Auge muss ständig springen.Und die sich dazwischen ebenfalls spiegelnden Blätter von Busch und Baum ringsumerzittern mit, wedeln wie hell- und dunkelgrüne Läppchen kurz hin und her. Hun<strong>der</strong>t Malerkönnten hier gleichzeitig malen, das Bild aus <strong>Lode</strong>s Hand würden wir herauskennen. Er maltkeinen romantischen Waldsee, son<strong>der</strong>n betont einen Ausblick, oft mit etwas Gelb als Zeichenvon Verheißung. Er ist nicht ihr Porträtist, aber man kann sagen, er wird jetzt „<strong>der</strong> Maler <strong>der</strong>Rhumequelle“.1927 stirbt <strong>der</strong> Sanitätsrat, längst Freund und zweiter Vater geworden. Vielleicht ist dieserVertraute <strong>der</strong> einzige Mensch in Du<strong>der</strong>stadt, <strong>der</strong> um die „flämische Wunde“ wusste. Da istnicht nur die eigene Not, auch <strong>der</strong> Schmerz um den Tod von Bru<strong>der</strong> Frans 1918.Der Künstler geht auf die vierzig zu, fühlt sich einsam. Freunde und Verwandte schreiben,dass es in <strong>der</strong> Heimat viel zu tun gibt. Adieu Städtchen, adieu Rhumequelle, LüneburgerHeide! Daheim muss er neu beginnen. Für Architekten sind die Zeiten schlecht, es wirdimmer weniger gebaut. So arbeitet er alte Schätze auf. Ob Motive aus Deutschland o<strong>der</strong>
108Flan<strong>der</strong>n, je<strong>der</strong> Tag bringt neue Aspekte, die Farben werden kühner. Die seine Bil<strong>der</strong> nochnicht kannten, entdecken staunend ein großes Talent.Des Junggesellendaseins leid, heiratet er 46jährig Joanna, umgangssprachlich Joke, trägt dengleichen Familiennamen. Sie stammt aus einem Genter Zweig <strong>der</strong> Familie, ist Lehrerin undspricht ein exquisites Französisch. Es war bühnenreif komisch, wenn <strong>der</strong> Maler aus Übermutdieses elegant musikalische Dahinfließen mit dem breitesten Flämisch zu kontern beliebte,mit dem er die Weiber vom Fischmarkt imitierte – aber ich greife vor.Ein neuer Krieg überzieht Län<strong>der</strong> und Menschen. Ist es Zufall, dass sich zweierlei wie<strong>der</strong>holt?Auch diesmal geht es sogar noch während des Krieges aufwärts mit <strong>der</strong> wie<strong>der</strong> starkenflämischen Bewegung, und <strong>Lode</strong> stellt wie<strong>der</strong>um mitten im Krieg aus. 3 Er ist <strong>der</strong> Maler <strong>der</strong>Schelde geworden. Es hat sich ein Ausschuss gebildet, dem Flamen angehören, die wegenihrer Verdienste um die flämische Kultur bekannt sind wie Cyriel Verschaeve und FelixTimmermans. <strong>Eichsfeld</strong> und Lüneburger Heide werden in <strong>der</strong> Kunstwelt Flan<strong>der</strong>ns bekannt.Aber nun hat das Junge Flan<strong>der</strong>n zwei Feinde, damals waren es nur die wallonischenPolitiker. <strong>Lode</strong> legt sich mit einer Unterorganisation <strong>der</strong> deutschen Besatzung an, die unterdem Decknamen „Kunstschutz Belgien/Nordfrankreich“ Kunstschätze für diePrivatsammlungen von Göring & Co aus dem Land zu bringen sucht. Als bestellterSachverständiger taxiert <strong>Lode</strong> hoch und kann manchen Coup vereiteln. Auch hält er mitseiner Meinung nicht hinter dem Berg. Ihm droht Verhaftung. 4Der an<strong>der</strong>e Feind ist schlimmer, es sind die eigenen Leute. Immer rigoroser hatte das Nazi-Regime seine Ideologie allen kulturellen und sozialen Einrichtungen übergestülpt und dieBevölkerung gegen sich aufgebracht. Als die Befreiung nah ist, alliierte Truppen bereits inNordfrankreich gelandet sind, wird aus ohnmächtigem Zähneknirschen Hass, er macht dieMenschen blind für die Unterscheidung Freund des deutschen Volkes o<strong>der</strong> Handlanger <strong>der</strong>Besatzung. Wer gestern noch geehrt wurde, wird heute als Kollaborateur beschimpft. Im Juni1944 eskaliert die Lage. Der „flämische Spaltpilz“ grassiert (Zitat Timmermans). Es wirddenunziert, demoliert, Leute werden aus den Häusern gezerrt. Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> deutschenBesatzung Kontakt hatte, ist nun Kollaborateur.<strong>Lode</strong> <strong>van</strong> <strong>der</strong> <strong>Linden</strong>? Hat <strong>der</strong> nicht sogar bei den Deutschen gelebt? Hat er nicht auchEhrenfriedhöfe und Grabdenkmäler geschaffen? Man kennt doch diese scheußlich protzigenMonumente gerade in den Nie<strong>der</strong>landen mit Hakenkreuz und Adler, reineMachtdemonstration! Dass <strong>Lode</strong>s Entwürfe nach dem Ersten Weltkrieg entstanden, als esnoch gar keine Nazis gab und ein Ehrenfriedhof dem Gedenken an die Gefallenen diente, wirdnicht bedacht. Freunde schützen Haus und Atelier in <strong>der</strong> Lange Leemstraat 346 so gut es geht,können aber Plün<strong>der</strong>ung, Zerstörung und Diebstahl nicht verhin<strong>der</strong>n. Freund Felix liegtschwer herzkrank zu Bett. Er, <strong>der</strong> den Menschen „Licht, Liebe, Wahrheit und Schönheitbringen wollte“ (Zitat Timmermans) bekommt „nur“ Hausarrest. Cyriel Verschaeve drohtTodesurteil, kann nach Österreich fliehen. <strong>Lode</strong> geht „in die Höhle des Löwen“ (Zitat <strong>Lode</strong>).Ein Vierteljahr später, am 16. September 1944, ist er wie<strong>der</strong> in Du<strong>der</strong>stadt, nun mit seinerFrau. Sie kommen als Flüchtlinge zu Freunden, ohne eigene Möbel, ohne Vermögen, wohnenzunächst in <strong>der</strong> Bahnhofstraße im Haus des Fabrikanten Hertwig.3 Im Lamorinièresaal, Op de Meir, Antwerpen4 Dem Leiter des Referats „Kunstschutz“ begegnet er 1949 in Göttingen wie<strong>der</strong>, da ist <strong>der</strong> frühere hohe SS-Offizier als Ordinarius für Kunstgeschichte <strong>der</strong> Universität unbehelligt wie<strong>der</strong> in Amt und Würden.
- Seite 1 und 2:
Dr. Matthias GleitzeLode van der Li
- Seite 3 und 4:
Paul and daughters Roycene and Marl
- Seite 5 und 6:
4Einladungen und Plakat zur Ausstel
- Seite 7 und 8:
6Im Hinblick auf den 50. Todestag L
- Seite 9 und 10:
8Grußwort von Hans-Peter Menge, Re
- Seite 11 und 12:
10Biografische Daten Lode van der L
- Seite 13 und 14:
12- Golgatha (Weltenbrand)- Selbstp
- Seite 15 und 16:
14Ruhestätte suchen wir nicht in d
- Seite 17 und 18:
16(ein Regensburger Maler und Archi
- Seite 19 und 20:
18verantwortlich für ihre Taten.
- Seite 21 und 22:
20In der Zeit von 1917 bis 1927 sow
- Seite 23 und 24:
22Maria van der Linden, Schwester L
- Seite 25 und 26:
24Lode van der Linden (31 Jahre) an
- Seite 27 und 28:
26Lode van der Linden (42 Jahre), 1
- Seite 29 und 30:
28Joanna van der Linden (37 Jahre),
- Seite 31 und 32:
30Lode van der Linden (59 Jahre) in
- Seite 33 und 34:
32Lode van der Linden beim Bau des
- Seite 35 und 36:
34Lode van der Linden in Ranst, 195
- Seite 37 und 38:
36Im Hauptbahnhof Antwerpen, 1951Vo
- Seite 39 und 40:
38Lode van der Linden und Waltraud
- Seite 41 und 42:
40Von links: Joanna und Lode van de
- Seite 43 und 44:
42Im Atelier in der Langen Leemstra
- Seite 45 und 46:
44Lode van der Linden (67 Jahre) un
- Seite 47 und 48:
46Im Atelier in der Langen Leemstra
- Seite 49 und 50:
48Joanna van der Linden (53 Jahre),
- Seite 51 und 52:
50Joanna van der Linden (82 Jahre),
- Seite 53 und 54:
52Insignie (Zipfel) der Ehrenphilis
- Seite 55 und 56:
54Veröffentlichung im Göttinger T
- Seite 57 und 58: 56Veröffentlichung in „De Standa
- Seite 59 und 60: 58dreht die Uhr wohl eine ganze Zei
- Seite 61 und 62: 60Zum Anlass seines 65sten Geburtst
- Seite 63 und 64: 62Der Vater fasste den Entschluss,
- Seite 65 und 66: 64zu belassen. Lode van der Linden
- Seite 67 und 68: 66Antwerpen, 19-2-57Sehr geehrter H
- Seite 69 und 70: 68er so viele Jahre in der Nähe de
- Seite 71 und 72: 70Veröffentlichung im Göttinger T
- Seite 73 und 74: 72Frau Lode VAN DER LINDEN, geboren
- Seite 75 und 76: 74Er hat die Natur geliebt: in ihre
- Seite 77 und 78: 76Dass das Andenken an Lode van der
- Seite 79 und 80: 78Große Retrospektive zu Lode van
- Seite 82: 81Das Leidenstuch, Ölgemälde von
- Seite 85 und 86: 84Zu allererst nimmt man nichts als
- Seite 87 und 88: 86Veröffentlichung in der Südhann
- Seite 89 und 90: 88Tod von Joanna van der Linden
- Seite 91 und 92: 90In dankbarer Erinnerung anFrauJoa
- Seite 93 und 94: 92Ein Kenner und Verehrer des Maler
- Seite 95: 94Einladung zur offiziellen Eröffn
- Seite 98 und 99: 97Veröffentlichung im Eichsfelder
- Seite 100 und 101: 99Beine gebracht hat. Es ist unser
- Seite 102 und 103: 101Sie haben noch bis gestern Abend
- Seite 104 und 105: 103mit Dr. Bertram einen Plan, den
- Seite 106 und 107: 105während seines zweiten Aufentha
- Seite 110 und 111: 109Habe ich im Zusammenhang mit der
- Seite 112 und 113: 111Van der Lindens bewohnten zwei R
- Seite 114 und 115: 113Er war ein würdiger Botschafter
- Seite 116 und 117: 115Von links: Joachim Schmelter (So
- Seite 118 und 119: 117Die FestkoronaGrußwort des Staa
- Seite 120 und 121: 119Beim Essen der Ehrengäste im Ra
- Seite 122 und 123: 121Blickfang: Vorwiegend sind Lands
- Seite 124 und 125: 123zu tragen. Seine Einführung in
- Seite 126 und 127: 125Ausklang der Ausstellung von Wer
- Seite 128 und 129: 127Werke von Lode van der Linden (A
- Seite 130 und 131: 129Bleistiftzeichnung „Am Sandwas
- Seite 132 und 133: 131Aus der Broschüre 30 Jahre Jäg
- Seite 134 und 135: 133
- Seite 136 und 137: 135Von Lode van der Linden gestalte
- Seite 138 und 139: 137Ölgemälde auf Metall „Hahlet
- Seite 140 und 141: 139Bleistiftskizze „Landhaus in R
- Seite 142 und 143: 141Lesezeichen, 25.12.1949 (Private
- Seite 144 und 145: 143Kreidezeichnung „Baum am Duder
- Seite 146 und 147: 145Skizzen aus dem Zoo Antwerpen, 1
- Seite 148 und 149: 147Ölgemälde „Flusslandschaft i
- Seite 150 und 151: 149Ölgemälde „Flämische Winter
- Seite 152 und 153: 151Ölgemälde „Rhumequelle“ (P
- Seite 154 und 155: 153Ölgemälde „Flämische Landsc
- Seite 156 und 157: 155Ölgemälde „Das äußere West
- Seite 158 und 159:
157Ölgemälde „Flämische Landsc
- Seite 160 und 161:
159Ölgemälde „Flämische Winter
- Seite 162 und 163:
161Ölgemälde „Blutbuche bei Rot
- Seite 164 und 165:
163Ölgemälde „Stelle der Erlegu
- Seite 166 und 167:
165Ölgemälde auf Kupfer „Duders
- Seite 168 und 169:
167Ölgemälde „Birkenallee“, 1
- Seite 170 und 171:
169Ölgemälde „Landschaft in Fla
- Seite 172 und 173:
171Ölgemälde „Winterlandschaft
- Seite 174 und 175:
173Ölgemälde „Winterwald“, 19
- Seite 176 und 177:
175Ölgemälde „Rhumequelle“, 1
- Seite 178 und 179:
177Ölgemälde „Pappeln“ (Priva
- Seite 180 und 181:
179Ölgemälde „Birkenmoor“ (Pr
- Seite 182 und 183:
181Ölgemälde „Wintermondnacht
- Seite 184 und 185:
183Ölgemälde auf Leinwand „Wohn
- Seite 186 und 187:
185Ölgemälde auf Malpappe „Wint
- Seite 188 und 189:
187Ölgemälde „Birkenhain“ (Pr
- Seite 190 und 191:
189Ölgemälde auf Pappe „Waldweg
- Seite 192 und 193:
191Ölgemälde auf Pappe „Birkenm
- Seite 194 und 195:
193Aquarell auf Papier „Waldweg
- Seite 196 und 197:
195Ölgemälde auf Kupfer „Knorri
- Seite 198 und 199:
197Ölgemälde auf Holz „Duderst
- Seite 200 und 201:
199Ölgemälde „Lode van der Lind
- Seite 202 und 203:
201Ölgemälde „Rhumequelle“, 1
- Seite 204:
203Ölgemälde Erika Schmelters M.