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Lode van der Linden - Eichsfeld Wiki

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110Nun zwei Kostproben seiner Pädagogik: Zwiebeln in einer Tonschale sollte ich malen.Manche glänzten goldgelb, an<strong>der</strong>e hatten hier und da noch stumpf-graubraune knittrigeSchalenfetzen. Es ging um den Gegensatz zwischen Belebtem und Unbelebtem. Nun wird einÖlbild nicht in einer Sitzung fertig. Nach einer Woche hatten die Feldfrüchte zu keimenbegonnen. Die grünen Triebe gefielen mir und waren gelungen. Bei <strong>der</strong> nächsten Sitzungwaren sie gewachsen. Sollte ich die einzige gute Stelle im Bild kaputt machen? Ich pinselteringsherum und sparte sie aus. Die grünen Schlangen wuchsen weiter. Ahnte <strong>der</strong> Professornicht, wie ratlos ich war, warum half er mir nicht? Nach einigen Wochen sagte er schließlich:„Kindje, du musst erst lernen, das zu malen, was du siehst, Picasso spielen kannst du später.Und du siehst doch, dass die Zwiebeln in <strong>der</strong> Schüssel an<strong>der</strong>s aussehen als die, die du gemalthast“. Ich stückelte die Triebe mehrfach an, es sah erbärmlich aus. Der Professor legte garkeinen Wert darauf, dass ich schöne Bil<strong>der</strong> bei ihm malte, lernen sollte ich und zwar so vielan einem Bild wie in einem Semester Kunstakademie, denn er sei sehr krank und ich hätte ihnnicht mehr lange. Und ich glaube, diese Lektion begriffen zu haben: Genau beobachten, üben,üben, demütig werden.Ein weiteres Beispiel seiner Methode von Kunstpädagogik: Ich hatte für eine zugezogeneneureiche Familie <strong>der</strong>en Zweijährigen in Rötel zu porträtieren. Es war eine schwere Geburt,denn kleine Jungen sitzen nicht still. Beim Ausliefern <strong>der</strong> Zeichnung sollte ich hun<strong>der</strong>t Markfor<strong>der</strong>n. „Herr Professor, das kann ich nicht! Ich kann doch nicht für etwas, woran ich so vielgelernt habe, auch noch Geld verlangen!“ – Die Antwort: „Kindje“, Maler und Malers Kin<strong>der</strong>haben auch Hunger“. Und als ich mit hun<strong>der</strong>t Mark in <strong>der</strong> Tasche zurück kam: „Wenn duMalerin geworden bist und hörst eines Tages, ach, das Fräulein X, das ist doch die mit denhübschen Kin<strong>der</strong>köpfchen o<strong>der</strong> mit den schönen Blumenbil<strong>der</strong>n, tu das sofort in die untersteSchublade und zwinge dich, etwas Neues anzufangen! Dann werden sie sagen: Sie konntedoch so schön malen, kann sie das nicht mehr? Lass sie reden. Das wird sonst Routine, dannMasche und du lernst nicht genug dazu.“ Ich hab„s beherzigt und versuche, diese Maxime anmeine Schüler weiterzugeben.Ich solle öfter kommen, schneller lernen. Ich druckste herum. „Was ist los?“ Meine FreundinWaltraud, die aus dem ausgebombten Hannover aufs Land evakuiert worden war, sei danntraurig. „Bring sie mit!“ war die Antwort. Waltraud saß dann oft mit einem Buch still in einerEcke. Sie wurde ebenfalls unter die Fittiche und ins große Herz <strong>der</strong> beiden aufgenommen.Später wurden wir pauschal als „de kin<strong>der</strong>en“ herumgereicht.Das Himmelreich war mir vorübergehend verschlossen. Der Krieg war in den Osterferien1945 zu Ende. Am 4. Juli nistete sich eine Kompanie Russen auf unserem Forsthausgehöftein. Sie blieb lange. Als die Schule weiterging, die Ursulinen wie<strong>der</strong> unterrichten durften, lagmein Elternhaus in <strong>der</strong> sowjetisch besetzten Zone. Verkleidet als Kartoffelleserin gelang mirim Spätherbst 1945 die Flucht. Ich fand ein Zimmerchen bei Familie Gleitz Auf <strong>der</strong> Klappe.Das Malen ging nicht nur weiter, <strong>der</strong> Amtsschimmel sorgte sogar dafür, dass mein Lebennoch enger mit <strong>der</strong> Kunst und dem verehrten Professor verbunden wurde. Man schrieb mir,ich hätte mich am Soundsovielten im Lager Wipperfürth einzufinden, denn ich sei nochmin<strong>der</strong>jährig und dürfe daher nicht allein wohnen. Der Professor parlierte kurz mit seinerFrau in mehreren Sprachen, runzelte die Stirn: „Jetzt gehst du auf deine Klappe, packst deineSiebensachen, und jetzt wohnst du bei uns!“ Von da an durfte ich „Onkel Ludwig“ und„Tante Johanna“ sagen. Das selbstlose Handeln <strong>der</strong> beiden großherzigen Menschen wurde mirzum Segen.

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