Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Prignitz. Band 1 Im ...
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Zwischen 1575 und 1625 sanken die jährlichen Taufzahlen um ungefähr 50%, die<br />
jährlichen Eheschließungen um ungefähr 35%. Dieser drastische Bevölkerungsrückgang<br />
läßt sich in <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> bewohnten Häuser, die zwischen 1550 und<br />
1623 nur um 18% abnahmen, nicht nachweisen. Auch schlägt sich <strong>der</strong> aus den<br />
Musterungsangaben von 1610 und 1623 ersichtliche leichte Anstieg <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong><br />
bewohnten Häuser um 19 in <strong>der</strong> Vitalstatistik nicht nie<strong>der</strong>. Hier<strong>für</strong> können mehrere<br />
mögliche Gründe angeführt werden. Da bei <strong>der</strong> Musterung 1610 das Zusammenkommen<br />
<strong>der</strong> Bürgerschaft aufgrund einer gerade überstandenen Pest unterlassen<br />
wurde, könnten einige Bürger nicht registriert worden sein. Auch 1623 wurde<br />
vermerkt, daß 18 Personen bei <strong>der</strong> Musterung ausgeblieben seien, so daß ein Interesse<br />
an einer Nichtregistrierung vorhanden war. Des weiteren könnten aufgrund<br />
<strong>der</strong> Krisensituation gerade verstorbene Hauseigentümer nicht in die Liste mit aufgenommen<br />
worden sein, da noch kein Erbe <strong>für</strong> diese Personen feststand.<br />
Auch <strong>für</strong> die im langfristigen Trend festzustellende Diskrepanz zwischen den Zählungsergebnissen<br />
und <strong>der</strong> Vitalstatistik lassen sich letztendlich nur Vermutungen<br />
anstellen, da die To<strong>des</strong>fälle nur lückenhaft überliefert sind und keine Daten zur<br />
absoluten Bevölkerungsgröße Perlebergs o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Migration vorliegen. Das genaue<br />
Bevölkerungsdefizit zwischen 1570 und 1625 könnte nur durch die Bilanz<br />
von Geburten und To<strong>des</strong>fällen einerseits und jener von Zu- und Abwan<strong>der</strong>ung<br />
an<strong>der</strong>erseits erschlossen werden. 80<br />
Nur bedingt greift die Erklärungsmöglichkeit, daß die Zahl <strong>der</strong> Budenbewohner in<br />
diesem Zeitraum abgenommen hat. Der Annahme eines Rückganges <strong>der</strong> Budenbewohner<br />
zumin<strong>des</strong>t in <strong>der</strong> zweiten Hälfte <strong>des</strong> 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts steht <strong>der</strong> Rezeß<br />
von 1594 entgegen, in dem die Errichtung von Buden mit <strong>der</strong> Begründung eingeschränkt<br />
wurde, daß sich nicht die Zahl mittelloser Mietseinwohner, wie es ohnehin<br />
schon <strong>der</strong> Fall wäre, übermäßig vermehre. Die Vitalstatistik gibt allerdings<br />
auch keinen Hinweis darauf, daß die Verluste in <strong>der</strong> Bürgerschaft durch eine Erhöhung<br />
<strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Budenbewohner ausgeglichen wurden, und insofern kann die<br />
Grundlage <strong>des</strong> Rezesses nicht überprüft werden.<br />
Plausibler sind zwei an<strong>der</strong>e Erklärungsmuster <strong>für</strong> die Diskrepanz zwischen <strong>der</strong><br />
Vitalstatistik und den Zählungsergebnissen. Die Behausungsziffer, d. h. die Zahl<br />
<strong>der</strong> Personen, die in einem Haus zusammen lebten, könnte sich zwischen 1550<br />
und 1623 verringert haben. Dies hätte dazu geführt, daß <strong>der</strong> Rückgang <strong>der</strong> bewohnten<br />
Häuser hinter dem Bevölkerungsrückgang insgesamt zurückblieb. 81 Die an<strong>der</strong>e<br />
Möglichkeit <strong>für</strong> die unterschiedlichen Ergebnisse wäre eine stetige Zuwan<strong>der</strong>ung<br />
80 Pfister, Bevölkerungsgeschichte (Anm. 8), S. 3 f.<br />
81 Dieses Erklärungsmuster ist wie<strong>der</strong>um ein Argument gegen willkürlich gesetzte Multiplikatoren,<br />
mit denen Feuerstellen- und Häuserangaben hochgerechnet werden.<br />
MittVG<strong>Prignitz</strong> 1(2001)