Umweltbelastungen und Gesundheit 9. Juni 1999 - Toxnet Infoportal ...
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WER SAGT, DIE UMWELT HABE IHN KRANK GEMACHT, DER IST VERÜCKT<br />
Zwar wird in der Präambel betont, PatientInnen sollten mehr Rechte erhalten <strong>und</strong> stärker aktiv mitgestalten<br />
können, doch enthält der Entwurf selbst wenig Einschlägiges.<br />
Problematisch dürfte die Kompentenzerweiterung der medizinischen Dienste sein. Gerade sie haben in<br />
den vergangenen Jahren an der Psychopathologisierung von UmweltpatientInnen eifrigst mitgewirkt<br />
<strong>und</strong> sehr selten medizinische Kompetenz gezeigt. Rechte der PatientInnen gegenüber den Medizinischen<br />
Diensten <strong>und</strong> gegenüber den Krankenkassen sind im Entwurf bezeichnenderweise nicht vermerkt.<br />
Sollte er in Kraft treten, bliebe Deutschland im Vergleich mit seinen europäischen Nachbarn in<br />
Sachen PatientInnenschutzrechten weiterhin »Entwicklungsland« – wie es die Arbeitsgemeinschaft<br />
der Verbraucherverbände (AGV) so treffend formulierte.<br />
Die Unterstützung von PatientInnen seitens der Krankenkassen in Arzthaftungsprozessen ist zwar ein<br />
Hoffnungsschimmer, doch fehlen hier wirksam abstützende Strukturen.<br />
Selbsthilfegruppen sollen ein Krankenkassenscherflein für ihre gesellschaftlich nützliche Arbeit erhalten,<br />
doch kann das keinen Ersatz für gesetzlich verbriefte PatientInnenrechte bieten. Im § 20 Abs 4<br />
des Entwurfs stecken übrigens die bösen Teufelchen im Detail. Gefördert sollen nur diejenigen werden,<br />
»die sich der Prävention oder der Rehabilisation« von aufgelisteten Erkrankungsbildern widmen; bei<br />
der Erstellung eines entsprechenden Verzeichnisses sind »Vertreter der für die Wahrnehmung der<br />
Interessen der Selbsthilfe maßgeblichen Spitzenorganisationen« ebenso zu beteiligen wie an der Erarbeitung<br />
»der Gr<strong>und</strong>sätze zur Förderung der Selbsthilfe«<br />
Fraglich dürfte sein, wie viele Selbsthilfegruppen sie überleben <strong>und</strong> ob sie dann noch etwas anderes<br />
sind als Hilfsorgane der Krankenkassen – möglicherweise auch der gesetzlichen Unfallversicherung.<br />
■ Was wir brauchen …<br />
■ Ich meine, wir brauchen qualitativ <strong>und</strong> gesellschaftspolitisch mehr:<br />
■ Wir brauchen eine Chemie- <strong>und</strong> Technologiepolitik, die ausnahmslos dem Gebot des Gr<strong>und</strong>gesetzes<br />
»Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen« in<br />
Art. 14 (2) verpflichtet ist.<br />
■ Wir brauchen eine wirksame Verknüpfung von Umwelt-, Chemikalien-, Arbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitspolitik<br />
– in diesem Sinne.<br />
■ Wir brauchen absolut reduzierte Belastungseinträge <strong>und</strong> das Ende der herrschenden (gesellschaftlich<br />
schon heute nicht mehr bezahlbaren) »Risikophilosophie«, in die selbst massivste<br />
Ges<strong>und</strong>heitsschäden der Bevölkerung zynisch einkalkuliert sind – nach dem Statistikmodell: 1<br />
Krebstoter auf 10.000 oder 100.000 Menschen ist zulässig <strong>und</strong> hinzunehmen.<br />
■ Wir brauchen Umweltinformationseinsichtsrechte (Krankenhäuser!) <strong>und</strong> das Verbandsklagerecht<br />
für UmweltpatientInnenvereinigungen.<br />
■ Wir brauchen eine jährliche, öffentlich zugängliche Chemieberichterstattung der Firmen in den<br />
Kommunen – das gibt es in den USA schon lange. Sie wäre zu ergänzen durch die Erhebung <strong>und</strong><br />
Bekanntgabe weiterer Belastungsdaten (wie u.a. Lärm <strong>und</strong> Elektrosmog) <strong>und</strong> einklagbare Sanktionsmöglichkeiten<br />
bei Rechtsverletzung.<br />
■ Wir brauchen ein neues Umweltschadensersatzrecht in Anlehnung an amerikanisches Recht, ggf.<br />
ist ein Entschädigungsfond für Chemikaliengeschädigte einzurichten.<br />
■ Wir brauchen eine breite Forschungsförderung der Umweltmedizin (Ätiologie, Diagnostik <strong>und</strong><br />
Therapie), die diesen Namen auch verdient – unter Beteiligung der UmweltpatientInnenorganisationen.<br />
■ Wir brauchen unabhängige, öffentlich finanzierte Anlaufstellen für UmweltpatientInnen, in<br />
denen die internationale Forschungsliteratur ausgewertet <strong>und</strong> den PatientInnen zur Verfügung<br />
gestellt werden kann.<br />
■ Wir brauchen den Solidarversicherungsschutz der GKV auch für umweltmedizinische Therapien.<br />
Die IGEL-Liste ist abzuschaffen.<br />
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