02.12.2012 Aufrufe

Das ist doch keine Kunst! Der Computer im - Mediaculture online

Das ist doch keine Kunst! Der Computer im - Mediaculture online

Das ist doch keine Kunst! Der Computer im - Mediaculture online

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

M h<br />

PRAXISBAUSTEIN <strong>Kunst</strong>- und Medienerziehung<br />

Hans-Jürgen Boysen-Stern artikuliert zwei wichtige<br />

Gefahren in seinem Artikel „Wie viel <strong>Computer</strong><br />

braucht der <strong>Kunst</strong>unterricht?“: „Es besteht permanent<br />

die Gefahr, dass effektvolle programmtechnische<br />

Möglichkeiten und Funktionen sich verselbstständigen<br />

und zu einem gestalterischen Einheitsbrei<br />

führen.“ 12 Diesem <strong>ist</strong> in jeder Hinsicht zuzust<strong>im</strong>men<br />

(siehe auch oben schon ausgeführte Bemerkungen<br />

zu Softwaregängelungen und Ausbreitung<br />

gewisser Stile). Und: „Bedenkenswert sind meines<br />

Erachtens allerdings auch die bisher kaum reflektierten<br />

Gefahren der ‚Reset-Kultur‘(Rückgängigmachen<br />

von Fehlern auf Knopfdruck): Wo findet noch<br />

das für die Menschwerdung in der Gemeinschaft<br />

nötige Stück Sorgfalts-Erziehung statt, wenn kein<br />

Verantwortungsgefühl für irreversible Handlungsfolgen<br />

mehr entwickelt werden kann und muss?“<br />

Obwohl die zweite Aussage sicherlich etwas pathetisch<br />

überspitzt ausgedrückt <strong>ist</strong> und s<strong>im</strong>ple Handlungsmöglichkeiten<br />

und -vorteile der <strong>Computer</strong>arbeit<br />

negativ überbewertet, hat <strong>doch</strong> auch die klassische,<br />

handwerkliche Kultur der bildnerischen Arbeit<br />

mit der integrierten Sorgfältigkeit des Tuns, die<br />

bei Fehlern oder Versagen den Neuanfang bedingte<br />

(das viel zitierte Tuschefässlein, das auf das Papier<br />

fällt!), etwas für sich.<br />

Vor- und Nachteile der künstlerischen <strong>Computer</strong>arbeit<br />

werden von den Anwendern durchaus kontrovers<br />

gesehen. Charles A. Csuri, ein Pionier der <strong>Kunst</strong><br />

mit dem <strong>Computer</strong>, bemerkt, dass der <strong>Computer</strong> ein<br />

Tor <strong>ist</strong>, das in ein besonderes Universum der Möglichkeiten,<br />

Träume und Realitäten führt und eine Art des<br />

Nachdenkens über den kreativen Prozess enthüllt.<br />

„<strong>Der</strong> <strong>Computer</strong> befreit mich von der physikalischen<br />

Realität und gibt mir mehr Freiheit des Ausdrucks als<br />

traditionelle Medien ... Ich nütze die Tatsache aus,<br />

dass <strong>Computer</strong> mit unhe<strong>im</strong>lich komplexen Strukturen<br />

umgehen können und mir so neue Optionen liefern,<br />

<strong>Kunst</strong> zu schaffen. ... Die Herausforderung liegt<br />

darin, <strong>Computer</strong>technologie zu verwenden, um unserer<br />

menschlichen Spiritualität zu dienen“ 13 .<br />

Gerade die Fülle an sich auftuenden Möglichkeiten<br />

und Material kann aber auch beunruhigen: „Eigentlich<br />

verabscheue ich den <strong>Computer</strong>, aber er <strong>ist</strong> mein<br />

unentbehrlicher Partner geworden. ... Ich sehe den<br />

<strong>Computer</strong> in sehr ähnlicher Weise als ein Werkzeug,<br />

das außerordentlich effizient und akkurat arbeitet.<br />

Und dadurch entsteht ein neues Paradox: <strong>Der</strong> <strong>Computer</strong><br />

scheint dem Künstler Zeit zu sparen. Auf der<br />

anderen Seite gibt er mir mehr Material, als ich verarbeiten<br />

kann. Und so läuft man vergeblich seinen<br />

eignen Ideen hinterher“ 14 .<br />

12 in: Chancen und Grenzen der neuen Medien <strong>im</strong> <strong>Kunst</strong>unterricht,<br />

ebd.<br />

13 Ars Electronica, Prix 1990<br />

14 Pearson<br />

Gestalterische Bereiche, in denen die<br />

digitale Technik dominiert<br />

Zwar überzeugt das Malprogramm „Painter“ mit<br />

erstaunlichen Fähigkeiten zur digitalen Nachbildung<br />

von klassischen Malwerkzeugen, Maltechniken<br />

und Malstilen, übertrifft diese gelegentlich<br />

sogar (das Programm bietet die Technik des „Klonens“,<br />

d. h. Weiterverarbeitung von Fotovorlagen in<br />

einer Art „Durchpausverfahren“ mittels zu wählender<br />

Werkzeuge und Methoden), eigentliche Domänen<br />

des <strong>Computer</strong>s sind aber eher andere Gestaltungsbereiche,<br />

in denen die digitale Produktion<br />

besonders ihre Stärken zeigt. <strong>Das</strong> sind:<br />

1. die elektronische Bildverarbeitung (EBV),<br />

einschließlich Layout als DTP oder Hypermedia<br />

2. die Verfremdung (kreatives Gestalten, Bearbeiten<br />

und Variieren)<br />

3. die Montage<br />

4. die An<strong>im</strong>ation.<br />

In diesen Bereichen <strong>ist</strong> der <strong>Computer</strong> herkömmlichen<br />

Techniken überlegen; best<strong>im</strong>mte Projekte sind<br />

erst durch ihn möglich. Was mit klassischen Mitteln<br />

eine große Mühe war (neu zeichnen, kopieren, collagieren)<br />

und oft höchste Präzision, handwerkliches<br />

Geschick sowie Erfahrung und Ausdauer erforderte,<br />

wird mit dem <strong>Computer</strong> von der Handhabung her<br />

wesentlich einfacher. Dadurch wird die kreative Freiheit<br />

größer. Außerdem sind Verfremdung, Montage<br />

und An<strong>im</strong>ation Bereiche künstlerischer Gestaltung,<br />

die stark exper<strong>im</strong>entellen Charakter haben und damit<br />

für den <strong>Kunst</strong>unterricht wichtig sind.<br />

Elektronische Bildverarbeitung<br />

Ein wichtiger Bereich für den Einsatz vom <strong>Computer</strong>n<br />

<strong>ist</strong> die elektronische Bildverarbeitung. Alle<br />

bildgestaltenden Techniken von Fotos, die bisher<br />

nur in der Dunkelkammer zu realisieren waren, sind<br />

mit <strong>Computer</strong>n ohne Chemie und sonstigen Aufwand<br />

„spielend“ zu verwirklichen. Gerade <strong>im</strong> schulischen<br />

Bereich waren Unternehmungen in der<br />

„Dunkelkammer“ gefährlich, unangenehm und<br />

teuer, Farbarbeiten kaum möglich. Die Kosten für<br />

einen PC-Arbeitsplatz für elektronische Bildverarbeitung<br />

entsprechen in etwa denen eines Color-<br />

Arbeitsplatzes <strong>im</strong> Fotolabor. Digitalkameras erlauben<br />

erstmals kreative Exper<strong>im</strong>ente ohne Sparzwänge<br />

und Wartezeiten. Ist die Hardware beschafft,<br />

gibt es bei der digitalen Gestaltungsarbeit<br />

kaum noch Verbrauchsmaterialkosten. Farbtintenstrahldrucker<br />

drucken inzwischen auf Normalpapier<br />

in akzeptabler Qualität. Schwierige Labortechniken,<br />

wie Tontrennung und Solarisation zum Beispiel,<br />

sind am PC wesentlich einfacher und besser<br />

zu verwirklichen; besonders die Bereiche Verfremdung<br />

und Montage werden am <strong>Computer</strong> in neuer<br />

Leichtigkeit und unglaublicher Vielfalt möglich.<br />

13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!